LINDA BROWNLEE, Das Enthüllen ungeschliffener Anmut

LINDA BROWNLEE, Das Enthüllen ungeschliffener Anmut

Linda Brownlee ist eine preisgekrönte Fotografin, die für ihre Dokumentarfotografie bekannt ist. Sie arbeitet für die anerkanntesten Zeitungen und Magazine, hat mehrere Fotobücher veröffentlicht, und ihre Bilder wurden in der Londoner National Portrait Gallery ausgestellt.

Angetan vom Reiz ungeschliffener Schönheit, sucht sie diese in kleinen Details, die man normalerweise übersieht. Linda Brownlees Bilder enthüllen mit einer spontanen Aufrichtigkeit intime Momente und erwecken eine zarte Leichtigkeit umhüllt von elegantem und fein schimmerndem Glanz.

Anahita’s Eye präsentiert ihr Projekt „i Zii“, ein mit Feingefühl gemachtes Portait einer Familie im sizilianischen Dorf Gangi.

Nach einem Kommunikationsstudium an der Dublin City University hast du Kunst und Design studiert. Wie kommt es dazu, daß du dich letztendlich entschieden hast, Fotografin zu werden? 

Fotografie war eines der Fächer meines Kunst-und Designstudiums, und ich bin total darauf abgefahren. Ich habe alles Mögliche fotografiert.

Ich habe es geliebt! Zu diesem Zeitpunkt kannte ich noch keine irländischen Fotografen, und ich wußte auch gar nicht, wie man daraus eine Karriere machen konnte. Es war ganz einfach eine Leidenschaft, und ich habe entschieden, ihr zu folgen, um zu sehen, wohin sie mich führt.

Es war total unverbindlich, mehr ein Hobby, bevor mir dann wirklich drei oder vier Jahre später klar wurde, daß es viel ernster war, und ich mir sogar eine Karriere darin vorstellen konnte.

Und wenn du nicht Fotografin geworden wärst…

… dann wäre ich entweder Pferdetierärztin, Schauspielerin, Bildhauerin, Anwältin geworden. Ich war an allem interessiert und wollte alles machen.

In deinen Fotos beobachtest du die wahre Natur der Menschen in all ihrer Intimität und ihre Beziehung zu ihrem Umfeld.
Was ist wirklich wichtig für dich, wenn du an einem Portrait einer Person arbeitest?

Für mich liegt der Fokus, die Energie und Atmosphäre einzufangen, zu reflektieren, was in diesem Austausch passiert, wie kurz er auch immer sein mag.

Und um diese Atmosphäre einzufangen, wie sehr führst und kontrollierst du die Personen, die du porträtierst? Oder bevorzugst du es, eher spontan zu bleiben?

Es ist mir immer sehr wichtig, eine sehr relaxte Atmosphäre zu schaffe, die Chemie der Person und der Situation zu verstehen, und ein Gespräch zu finden.

Ich versuche so wenig wie möglich zu lenken, da ich es bevorzuge, daß sich die Dinge von alleine offenbaren. Ich bekomme somit etwas Interessanteres, vielleicht auch etwas Intimeres.

Diese intimen Momente zeigst du in einigen Dokumentarserien, die du für Nowness gedreht hast: « Limber Notes », wo es über Performer unterschiedlichen Alters und Sozialschichten geht, die eines gemeinsam haben, die Liebe fürs Tanzen. Oder «  In the Arena » über das britische Model Edie Campbell, die ihre Leidenschaft fürs Reiten enthüllt. 

Möchtest du mehr Dokumentarfilme drehen? 

Ja, gerne würde ich mehr drehen. Ich finde das so aufregend und befriedigend.

Ich liebe es mit all diesen Element zu arbeiten. Ich habe das Medium Radio während meines Kommunikationsstudiums studiert und bin fasziniert, was für eine Macht und Einfluß Ton und Klang haben können. So ist das Drehen von Dokumentarfilmen fast ein natürlicher Übergang, wenn man so wie ich am Charakter der Menschen, an ihren Geschichten und am Schaffen von Stimmungen interessiert ist.

Ich glaube, in mir irgendwo ist ein großer Dokumentarfilm, ich muß einfach nur die Zeit dafür finden.

Und weißt du schon genau, um wen oder um was es in diesem großen zukünftigen Dokumentarfilmprojekt gehen wird?

Noch nicht, aber sobald ich weiß, wer es ist, bin ich mir sicher, die Zeit für dieses Projekt zu finden.

Als preisgekrönte Fotografin, die für ihre Dokumentarfotografie bekannt ist, arbeitest du auch manchmal an Modeshoots.
Was interessiert dich an der Modefotografie?

Ich liebe es, mit schönem Gewand zu arbeiten, mit Modedesignern, und ich bin am Casting interessiert. Es ist amüsant und ich kann experimentieren.

Also wessen Stil bewunderst du?

Ich glaube bewundern wäre vielleicht etwas übertrieben, aber ich mag wirklich sehr gerne Yayoi Kusamas Stil.

Und gibt es ein bestimmtes Foto, das für dein kreatives Schaffen eine Inspiration ist?  

Überhaupt nicht.

Inspirationen für mein künstlerisches Schaffen hole ich mir aus einer Mischung von vielen Dingen: Filme, Malerei, die Arbeit verschiedener Fotografen… Und bei langen Spaziergängen, wenn mir die Ideen ausgehen.

Neben deiner Arbeit als Fotografin und Regisseurin, bist du auch Mutter von zwei kleinen Kindern. Hat das Muttersein deine Kreativität verändert? 

Es hat mir gewiß geholfen, meine kreative Energie auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Als arbeitende Mutter hat man weniger Zeit, deswegen mußt du die Projekte abweisen, die du sowieso früher oder später abgelehnt hättest. Das hilft dir vielleicht sogar, eine gewisse Klarheit zu finden.

Was geht dir durch den Kopf, wenn du an den Iran denkst?

Hashem Shakeris Fotos über die Klimaveränderung und ihre Konsequenzen im Iran.

Kredit:
Alle Fotos: Linda Brownlee
Ausschnitte aus ihrem selbstveröffentlichten Buch „I Zii“, EightyOne Books, 2016
http://www.lindabrownlee.com
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier

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CHRISTELLE TÉA, Das Geheimnis der enthüllten Wirklichkeit

CHRISTELLE TÉA, Das Geheimnis der enthüllten Wirklichkeit

Das erste Mal, als ich Christelle Téa traf, war ich überrascht über dieses außergewöhnliche Wesen, das einer Chinesin der 30er Jahre gleicht, mit einem Gesicht zart wie Porzellan, eine exzentrische Hutkreation am Kopf tragend und gekleidet mit einem kleinen Schwarzen. Sie erinnerte mich dabei an die weibliche Hauptfigur in Marguerite Duras «  Der Liebhaber ». Es war dieser Kontrast zwischen der extravaganten Erscheinung und dieser juvenilen Art gemischt mit einer naiven Aufrichtigkeit, der mich besonders verwundert hat.

Von Natur aus schüchtern und diskret, entdeckte ich während unseres Fotoshootings in den Beaux-Arts de Paris das andere Gesicht Christelles, deren so zarter Körper, sobald sie vor der Kamera steht auf einmal eine Stärke und unerwartete Selbstsicherheit ausstrahlt. Christelle weiß, mit ihrem Image zu spielen.

Vom Schicksal zur Kunst geführt getrieben von ihrem außergewöhnlichen Talent, enthüllt Christelle Téa in ihrem Werk auf eine virtuose Art und Weise die Wahrheit eines Moments mit all seinen Details und läd den Betrachter ein, diesem Augenblick immer und immer wieder gegenüber zu stehen und ihn zu beobachten.

Woher kommt deine Leidenschaft für das Zeichnen?

Ich zeichne seit ich klein bin. Meine Eltern führten ein chinesisches Restaurant, wo ich all meine Nachmittage mit meiner Schwester nach der Schule verbrachte. Wir haben uns dort so gelangweilt. Eines Tages habe ich darüber mit meiner Mutter geredet, worauf sie mir ihren Block und Stift, mit denen sie die Bestellungen notierte, in die Hand drückte. Und ab diesem Moment habe ich nur gezeichnet.

Zeichnen war für mich nicht nur eine Beschäftigung sondern auch eine Möglichkeit, mich auszudrücken, da ich auch noch sehr schüchtern war. Ich war ein sehr stilles und diskretes Kind.

Darüber hinaus sprach ich bis zum 7. Lebensjahr kein einziges Wort Französisch, auch wenn ich in Frankreich geboren bin und immer hier gelebt habe.

Zuhause wurde nur Teochew gesprochen, ein Dialekt der Provinz Guangdong im Süd-Osten Chinas.

Also fühlte ich mich am Anfang meiner Schullaufbahn wie eine Außerirdische, da ich überhaupt nicht verstand, was die Lehrer und die Kinder zu mir sagten.

Das Zeichnen half mir, aus dieser Blase auszureißen, mich auszudrücken, mich zu verständigen. Es war für mich ein richtiges Ausdrucks- und Kommunikationsmittel.

So hast du also schon damals beschlossen, Künstlerin zu werden?

Meine Mutter sagt immer, wenn sie das gewußt hätte, hätte sie mir eher einen Taschenrechner gegeben; und für meinen Vater war der Künstlerberuf absolut keine Möglichkeit, um Geld zu verdienen.

Ich habe Da Vincis Mona Lisa und Picasso erst im Gymnasium im Kunstunterricht entdeckt.

Und einige Jahre später hatte ich das außerordentliche Glück im Beaux-Arts de Paris aufgenommen zu werden. Das ist ein regelrechtes Paradies, um Kunst zu studieren. Man kann dort aussuchen, was man will, Fächer zusammenwürfeln, wie man will, experimentieren, und das in einem atemberaubenden Rahmen.

So hat mich also das Schicksal zur Kunst geführt.

Du hast während deines Studiums bei einem Austauschprogramm mit der Kunstuniversität von Peking mitgemacht. War diese Erfahrung auch eine Gelegenheit wieder zu deinen chinesischen Wurzeln zurückzukehren?

Absolut!
Diese sechs Monate haben mir geholfen, wieder eine Verbindung mit meiner chinesischen Herkunft aufzubauen. Auch habe ich einen großen Unterschied zwischen der chinesischen und französischen Lehrmethode feststellen können.

Während meines Studiums in China, durfte man nur eine einzige Technik lernen, und auf jedenfall nicht mehrere mischen. Dies half mir, eine Disziplin richtig zu beherrschen. Ich wählte das Fach der Holzstichkunst mit Meister Xu.

Wenn ich etwas Freizeit hatte, packte ich meine Zeichenutensilien und ging in der Stadt spazieren. Ich fühlte mich frei wie ein Vogel!

Ich zeichnete in den Straßen, auf den Märkten, in den Museen und in den Hutongs, den engen Gassen Pekings.

Du bist also immer mit einem Zeichenbrett, Papier und einer Füllfeder ausgestattet. Das ist ja ein richtiges mobiles Atelier! Hättest du gerne einen fixen Ort zum Zeichnen? 

Während meiner Künstlerresidenz im Museum Jean-Jacques Henner in Paris, wurde mir während der sechs Monate dort sogar ein Atelier zur Verfügung gestellt, aber es blieb die meiste Zeit leer, da ich es kaum in Anspruch nahm.

Für meine Arbeit brauche ich Leben, Bewegung.

Dieses Leben, diese Bewegung, wovon du redest, fängst du heute in deinen Porträts ein, die du von Personen direkt und ohne Skizze machst. Du zeichnest sie in situ in ihrem Haus, auf ihrem Arbeitsplatz, wo dir kein Detail entgeht. Ist es wichtig für dich, daß die Leute, die du porträtierst, mit dem Resultat zufrieden sind?

Nein.

Ich versuche überhaupt nicht, die Person mit meiner Zeichnung zu preisen und zu loben.

Was mich eigentlich interessiert in diesen Porträts ist die Welt, die das Model herum umgibt, die unmittelbare Wirklichkeit mit all ihren Einzelheiten, die nicht gesehen werden dürfen, die aber existieren, wie der Kabelsalat unter einem Schreibtisch aus Ebenholz aus der Ludwig XV Epoche oder ein Klavier, das nicht das Staubsaugerrohr verdecken kann.

Genau da befindet sich ein Teil der Wirklichkeit, in diesen kleinen Details.

Diesbezüglich mag ich besonders das Zitat des Fotografen Garry Winograd, der sagte:

« Es gibt nichts geheimnisvolleres als klar beschriebene Fakten.»

Ich versuche ganz und gar nicht der Person, die ich illustriere, zu schmeicheln und auch nicht eine fotorealistische Reproduktion von ihr und ihrer Umgebung zu machen. Sie ist fast wie ein Element von vielen in dieser Komposition, in der jedes Objekt, jedes Buch, jedes Musikinstrument, jedes Gemälde mit der gleichen Genauigkeit und Sorgfältigkeit gezeichnet wird.

Und wenn du mal nicht zeichnest? 

Und wenn ich mal nicht zeichne, dann studieren ich Operngesang im Konservatorium des 16. Arrondissements im Kurs von Alexandra Papadjiakou.

Musik und Zeichnen sind sehr wichtig und ergänzend für mich. Beide sind eine Art Hafen der Kreativität und des künstlerischen Ausdrucks.

Übrigens sind aus dieser Leidenschaft für die Musik heraus meine großen Fresken entstanden. Inspiriert wurde ich von Offenbachs Oper « Hoffmanns Erzählungen » und Gounods « Faust ».
In diesen Werken habe ich mich auch selber in Szene gesetzt.

Da du ja so Kunst und Musik begeistert bist, welche Künstler faszinieren dich?

In der Musik, Bernstein, Mozart, Puccini.

In der Kunst, Hockney, Dürer und Sam Szafran, in dessen Werk Details eine große Rolle gespielt haben, und der nie zu seinen eigenen Vernissagen ging.

Und du, gehst du zu deinen eigenen Vernissagen?

Ja, natürlich.

Es ist mir wichtig zu sehen, wer sich für meine Kunst interessiert.
Und auch aus Respekt für die Leute, die extra den Weg gemacht haben, um mich kennenzulernen und meine Arbeit zu entdecken.
Darüber hinaus ist es eine schöne Gelegenheit, Zeit mit Freunden zu verbringen.

Was fällt dir spontan ein, wenn du an den Iran denkst?

Ich denke an den Fotografen Ali Mahdavi, den ich auch schon porträtiert habe.
Ich bewundere seine Arbeit.

Kredit:
Alle Fotos von Christelle Téa:  Marion Leflour
Alle Zeichnungen: Christelle Tea
Zeichnung 1: Jean Michel Frouin, Künstler Maler und Tischler, 2015, Tinte auf Papier, 65 x 50 cm
Zeichnung 2: Morphologie Galerie im Beaux-Arts Paris, 2012, Tinte auf Papier, 50 x 65 cm
Zeichnung 3: 2 für 1 am Markt Xiyuan, 2014, Tinte auf Papier, 301 x 412 mm
Zeichnung 4: Cécile Guilbert, Schriftstellerin, 2015, Tinte auf Papier, 65 x 50 cm
Zeichnung 5: Koncert von Christophe Chassol, Komponist-Musiker, im Silencio Paris 2018, Tinte auf Papier
Zeichnung 6: Das letzte Urteil und der Colleone, Petits-Augustins Kapelle im Beaux-Arts Paris, 2012, Tinte auf Papier, 50 x 65 cm
Zeichnung 7: Ali Mahdavi, plastischer Künstler, Regisseur und Art Director der Revue „Désirs“ im Crazy Horse, 2015, Tinte auf Papier
Besonderen Dank an Valérie Sonnier et Philippe Comar der Beaux-Arts de Paris für die Erlaubnis des Fotoshootings von Christelle Téa in der Morphologie Galerie.
https://christelletea.com
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier

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ANAHITA’S EYE, Launch Event im Silencio

ANAHITA’S EYE, Launch Event im Silencio

Anahita’s Eye lud ins Silencio ein, um offiziell seine Launch zu feiern mit einem Konzert von Christophe Chassol, der Fotoausstellung „Big Fish“ des iranischen Fotografen Morteza Niknahad und der Präsentation des Filmes „Reset“ der französischen Regisseure Alban Teurlai und Thierry Demaizière.

Kredit:
Alle Fotos: Benoît Frenette

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ZOE CASSAVETES, Furchtlos hinter der Kamera

ZOE CASSAVETES, Furchtlos hinter der Kamera

Meine erste Begegnung mit Zoe Cassavetes war 2007, als ich ihren Film « Broken English » gesehen habe. Ich war absolut begeistert von ihrer subtilen Studie und Beobachtung der sprachlichen Schwierigkeiten und Banalitäten in einer Liebesgeschichte, eine Erfahrung, die wir alle schon einmal in unserem Leben durchgemacht haben.

Die zweite Begegnung war als ich sie auf der Party einer gemeinsamen Freundin persönlich kennengelernt habe. Hier habe ich dann auch gesehen, daß Zoes natürliche Art zu sein und zu reden auch in ihren Filmen widergespiegelt wird, in denen sie immer auf eine sehr aufrichtigen Weise die vielseitigen Gefühlsfacetten einer Frau in den verschiedenen Phasen ihres Lebens behandelt.

Tochter des legendären Hollywoodpärchens John Cassavetes und Gena Rowlands liebt sie es, bei ihren Filmprojekten herausgefordert zu werden und ihre Komfortzone zu verlassen.

Letztes Jahr hast du mit Blackpills die Serie « Junior » gedreht, die an die Zielgruppe der Millennials gerichtet ist. Es handelt sich dabei um für das Handy formatgerechte 10 Episoden, jede nicht länger als 10 Minuten. Was für eine Herausforderung! Magst du es, deine Komfortzone zu verlassen?

Ja, ich mag es sogar sehr meine Komfortzone zu verlassen.
Aber am beängstigendsten war es vor allem, eine Geschichte über die heutigen Teenager zu schreiben. Sie waren das Publikum, das ich ansprechen wollte und ich wollte es richtig machen.

Was ist so interessant an der Kultur der Millennials?

Was für mich an dieser neuen Generation so interessant ist, ist wie schnell, wie sehr sich die Zeiten geändert haben, seit wir die Generation X waren, und wie extrem manche Dinge sind, die sie tun, schauen oder wissen. Und das, weil sich die Technik in Lichtgeschwindigkeit entwickelt und immer weiter fortschreitet. Ich bin aus einer Generation, die die ersten 20 Jahre ihres Lebens all das nicht hatte. Ich kann lesen und mit der Hand schreiben und träumen.

Keiner von ihnen hingegen kann das Handy loslassen. Das Leben spielt sich im Handy ab. Das ist sehr abschreckend. Aber es gibt auch wunderbare Kinder unter ihnen, die die Technik in einer positiven Weise benutzen.

Das einzige ist nur, daß keiner die Folgen, dieser neuen Art des Konsums kennt. Ich bin natürlich auch davon betroffen, aber ich habe auch das andere Leben davor gelebt.

Ich bin mir sicher die Millennials schauen mich jetzt an und denken sich, wer ist denn die Alte?

Du hast dich am Anfang deiner Karriere als Schauspielerin versucht, bevor du dann Fotografin und Regisseurin geworden bist. Warum hast du das Schauspielen aufgegeben und es bevorzugt, hinter der Kamera zu stehen?

Ich war eine schreckliche Schauspielerin! Wirklich, sehr, sehr schlecht. Es ist schlimm, denn ich wollte wirklich eine werden. Aber damals wußte ich noch nicht, wer ich wirklich war, ich hatte keine Basis, kein Selbstbewusstsein, um es zu wirklich zu schaffen?

Ich war schon immer ein Schreiber, und als ich das Filmemachen probiert habe, habe ich es sofort geliebt, denn ich konnte wie ein Dirigent das ganze Orchester kontrollieren ohne selber spielen zu müssen.

Ich liebe Schauspieler so sehr. Es ist wirklich kein leichter Job. Aber ich ich bevorzuge meine langwierige, manchmal auch sehr mühsame Arbeit, die sehr viel persönlichen Einsatz erfordert, aber letztendlich immer sehr bereichernd ist.

Du hast den Film « Behind the Door » für die Neueröffnung des Pariser Ritz Hotels gedreht. Hast du auch persönliche Erinnerungen vom Ritz Hotel?

Ich liebte schon das Ritz Hotel als ich ein kleines Mädchen war und mit meinen Eltern dort abgestiegen bin.

Es ist wie ein Märchen, nicht nur weil es ein wunderschönes Hotel ist, sondern auch weil die Leute, die es führen, es zu einem zauberhaften Ort machen, wo all deine Wünsche in Erfüllung gehen.

Deswegen ist dieser Film ein sehr phantastischer, mit Zauberschlössern und -türen, die zu einem wilden Versteckspiel führen, eine Art Spiel aus der Kindheit aber mit den besten Kostümen und Personen.

Stell dir vor, du dürftest nur einen Film aussuchen, der dann in eine Zeitkapsel gesteckt wird, um in Millionen von Jahren beweisen zu können, daß der Mensch auf der Erde existiert hat. Welchen würdest du aussuchen?

Oh, ich hasse diese Frage!

Ich liebe Filme so sehr, daß es für mich wirklich schwierig ist, nur einen auszusuchen. Insbesondere behandeln meine Lieblingsfilme menschliches Leiden.

Meine Antwort wäre wahrscheinlich, bevor Trump gewählt wurde, besser gewesen, aber nun gibt es ein ‚vor-Trump‘ und ’nach-Trump‘. Meine ‚vor-Trump‘ Wahl wäre « It’s a wonderful World » und meine ’nach-Trump‘ wäre « Dr.Seltsam ».

Du bist mit Sébastien Chenut des französischen Elektroduos Scratch Massive verheiratet. Ist Musik ein wichtiges Element in deinen Filmen?

Verheiratet mit dem Musiker! Um ganz ehrlich zu sein, Seb hat einen unheimlich guten Musik- und Filmgeschmack. Und er hat mich durch unsere Zusammenarbeit zu einer moderneren Musikwahl in meinen Filmen und anderen Projekten geführt.

So wie die Ortswahl ist auch die Musik ein wichtiger Teil eins Filmes, fast wie eine zusätzliche Rolle.

Ich stehe total darauf, was Seb macht, aber es ist nun fast schon „unser Stil“, daß es mich noch mehr freut, wenn Leute auf die Filmmusik reagieren.

Wenn du eine Nacht in einem der riesigen Schallplattenläden, wie es doch einige in Los Angeles gibt, eingesperrt wärst, welche Platten würdest du dir anhören?

Die Filmmusik von DIVA, Nina Simone, Led Zeppelin « House of Holy », Wham! « Make It Big », ich weiß nicht, ich bin so old school …

Du bist mit Marc Jacobs befreundet und hast den Film « The Powder Room » für Miu Miu gedreht. Ist für dich als Fotografin und Regisseurin Mode ein interessanter Spielplatz? 

Es stimmt, daß ich viele Filme und Werbungen für Modelabels mache. Und ich liebe es, da sie unglaublich gut aussehen MÜSSEN, und ich mag es sehr, damit zu spielen.

Und es stimmt, ich liebe Kleider, Schuhe, Taschen und was sonst noch , aber ich verfolge nicht mehr so sehr, was in der Mode so passiert. Ich bin zu vielen Modeschauen gegangen und zu anderen coolen Veranstaltungen in all den Jahren, und ich mache das jetzt nur noch gelegentlich.

Was mich wirklich beeindruckt, ist das künstlerische Geschick, die Sorgfalt und Phantasie, die in die Kleidungsstücke und Kollektionen gesteckt wird.

Die Person in der Mode, die ich am meisten verehre, ist Miuccia Prada. Sie ist immer außerordentlich gut, warmherzig, großzügig, alles, was sie berührt, ist unglaublich. Die Leute, die mit ihr arbeiten, sind super, auf allen Ebenen.

Guy Bourdin oder Helmut Newton?

Beide? Ich liebe Bourdins Glanz, aber keiner konnte besser die Stärke zeigen wie Helmut Newton.

Du liebst es zu schreiben. Du schreibst die Szenarien der meisten deiner Filme. Welches Buch hat in dir diese Leidenschaft fürs Schreiben geweckt?

Ich schreibe schon seit immer. In der Schule war ich diejenige, die die Englischaufsätze aller anderen Schulkameraden geschrieben hat, immer aus einem anderen Blickwinkel heraus. Das war das einzige Fach, das ich gemocht habe, und in dem ich gut war.

Ich habe mein erstes Rollenspiel mit acht oder neuen Jahren geschrieben. Das ist ganz natürlich passiert, und ich hatte keine Angst oder Zweifel, wie gut das Resultat sein wird. Ach, ich vermisse diese Unbefangenheit.

Kannst du mir etwas mehr über deinen neuen Film « My Dead Ex» erzählen, der im März herausgekommen ist.

„My Dead Ex“ ist eigentlich nicht mein Projekt, aber ich habe ein paar Folgen gedreht.

Es ist ein wirklich lustiger Film über diesen Teenager, der sich so in ein Mädchen seiner Schule verliebt hat, daß er stirbt, als er ihr imponieren will. Aber da sie eine ganz spezielle Verbindung haben, wird er wieder zum Leben erweckt.

Es ist ein lustiges Projekt und ich habe mich dabei wirklich amüsiert.

Was fällt dir ein, wenn du an den Iran denkst?

Ich habe zwei Freundinnen, zwei Schwestern, die aus dem Iran geflohen sind, alles zurückgelassen haben und nach Amerika gekommen sind. Trotz allem ist ihre Liebe zu ihrer Heimat nie kleiner geworden. Ihre Geschichten über den Iran und über ihr Leben dort, haben mich sehr neugierig gemacht, dieses Land einmal zu besuchen.

Ich finde es sehr schade, daß die heutige Welt, in der wir leben, sich vor etwas fürchtet, das man nicht kennt und versteht.

Kredit:
Fotos:
Zoe Cassavetes Portrait: Sofia Sanchez und Mauro Mongiello
„Junior“ Filmposter (c) Manny Films
„Junior“ hinter den Kulissen: Zoe Cassavetes
„Junior“ hinter den Kulissen: Zoe Cassavetes
„Behind the Door“ Filmposter
„Behind the Door“ hinter den Kulissen
„Broken English“ Filmposter
„Day out of Days“ Filmposter
Miu Mius „The Powder Room“: Zoe Cassavetes
Miu Mius „The Powder Room“: Zoe Cassavetes
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier

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CAMILLE VIVIER, Surrealismus und erotische Spannung

CAMILLE VIVIER, Surrealismus und erotische Spannung

Camille Viviers Fotos ziehen den Betrachter in eine Welt romantischen Surrealismus, melancholischer Träumerei bedeckt mit einem mysteriösen und samtenen Schleier. Diese Sinnlichkeit und dieser Freigeist in ihren Bildern sind beeindruckend und verführerisch.

Ihre Fotos werden in den renommiertesten Gallerien und Modemagazinen gezeigt. Sie arbeitet aber auch an Musikprojekten, wie zum Bespiel Dita van Teese und Sebastien Telliers Coverfoto für ihr kürzlich herausgekommenes Album.

 

Der weibliche Körper, seine Sinnlichkeit, seine Erotik, seine Vielfältigkeit, sind sehr wichtige Themen in deiner Arbeit. Was ist für dich die Definition von Schönheit?

Mich interessiert die Poesie der Schönheit. Der menschliche Körper ist ein sehr klassisches Thema. In meiner Arbeit hinterfrage ich die Bedeutung des Wortes « Schönheit », wie es in der Kunstgeschichte und in der Gesellschaft aufgefaßt wird.

« In meinen Foto gibt es natürlich dieses Forschen nach Ästhetik, aber insbesondere ist es mir ein Anliegen, daß meine Vision, von dem was schön ist, ein offener und subjektiver Vorschlag sein sollte, ohne diese Bedeutung der Schönheit aufdrängen zu wollen. »

Diese Vision kann manchmal eigenartig und bizarr sein. Ich mag es auch hin und wieder, wenn Dinge fast schon ins Unangenehme gehen.

Ich bin eine Frau, die Frauen fotografiert, und deren Erotik in einer gewissen Weise ausdrückt wie es ein Mann nicht machen würde. Ich zeige sie in einer mehr abstrakten Art und Weise.

Magst du es, deine Fotoshootings zu kontrollieren und sie mit einer sehr fixen Idee im Kopf zu steuern, oder bevorzugst du es, dich mit der Energie gehen zu lassen und «Unfällen » eine Chance zu geben?

Ich bin nicht sehr bestimmend. In einem Klima von Vertrauen lasse ich die Dinge auf mich zu kommen.

«In Momenten der Ungewissheit und Nicht-Kontrollierens, passieren oft viele interessante Unfälle.»

Aber natürlich mache ich mir vor dem Shooting Gedanken über das allgemeine Bildresultat, das ich schaffen will, und ich bereite auch Referenzen für das Licht vor, das ein sehr wichtiges Element meiner Arbeit ist.

In deinen Fotos spielst du viel mit Kontrasten, mit der Kombination von Rauhem und Sanftem, von Lebendigem und Leblosem. Was fasziniert dich so an dieser Verbindung von zwei von einander total gegensätzlichen Dingen?

Die unbehagliche Eigenartigkeit des Leblosen hat mich schon immer fasziniert.

«  Ich liebe das Spiel mit Kontrasten. »

Ich mag es, von einander unterschiedliche Formen oder Welten zu verbinden und so einen Dialog zwischen diesen beiden entstehen zu lassen, die sich dann gegenseitig sublimieren, wie zum Beispiel ein nackter Frauenkörper auf einer Betonskulptur.

Die Arbeit besteht daraus, eine Sprache zwischen diesen beiden gegensätzlichen Elementen zu konstruieren, die dann untereinander kommunizieren.

Abgesehen von deinen persönlichen Projekten, arbeitest du auch regelmäßig mit international renommierten Modemagazinen und Marken wie Isabel Marant, Stella McCartney, Martin Margiela zusammen. Hermes gab dir carte blanche für einen Kurzfilm.

Gibt es einen Fotografen, dessen Arbeit du bewunderst so wie auch seine Vision der Modefotografie?

Ich erinnere mich noch, es war in den Neunzigern, ich habe damals als Assistentin für das Magazine Purple gearbeitet, als Wolfgang Tillmanns Buch herauskam.

« Tillmans Vision hat mich komplett überwältigt. In seinen Fotos habe ich eine enorme Freiheit entdeckt, eine künstlerische Sichtweise, die mir die Augen geöffnet hat, die mir Lust gegeben hat, Fotos zu machen, die meinen Komplex und meine Hemmungen bezüglich der Art und Weise, wie Mode zu dieser Zeit behandelt wurde, genommen hat, denn seine Fotos zeigten sie auf eine zugänglichere, spontanere, freiere Art, weniger glamourös und geglättet.»

Ich bewundere auch Man Rays Werk.
Er hat viel für die Mode gearbeitet, aber hatte auch sehr viele persönliche Projekte, die sehr reich waren an immer wiederkehrenden Codes und Themen. Er hatte einen unheimlich guten Geschmack für Objekte und das Verbinden von gegensätzlichen Elementen.

Meine Beziehung zur Mode war nicht immer einfach, aber nach all den Jahren, habe ich als Künstlerin an Selbstsicherheit gewonnen, was mir erlaubt hat, meine eigene Vision der Mode, meine Sichtweise, die von meinen persönlichen Projekten beeinflusst wird, durchzusetzen. Ich fühle mich nicht mehr eingeengt, daß von mir erwartet wird, in einer bestimmten Weise fotografieren zu müssen.

Man spürt in deinen Fotos eine gewisse Romantik, eine von einem samtenen Schleier leicht verschwommene Träumerei. Gibt es eine sehr bestimmte Inspirationsquelle für dich?

« Ich liebe alles, was eine gewisse Distanz aufbaut und Szenen erschafft, die zwar einen Hauch von Realität beinhalten aber aufgrund von theatralischen Elementen zu etwas komplett Fantastischem führen. »

Ich hole mir sehr viel Inspiration in der klassischen Kunst. Ich liebe die niederländischen Maler und ihre Art und Weise, Licht und Schatten auszudrücken.

Ich lese auch unglaublich gerne und liebe es, mich in imaginäre Landschaften gleiten zu lassen.

Es gab eine Periode, da las ich nur Romane vom französischen Schriftsteller André Pieyre de Mandiargues. In seinen Büchern findet man diese erotische Spannung, die in einem sehr surrealistischen Umfeld spielt.

Was geht dir durch den Sinn, wenn du an den Iran denkst?

Der Kontrast zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart.

Kredite:
Alle Fotos von Camille Vivier
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier
http://www.camillevivier.com/

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OLIVIER CHÂTENET, der Meister des Stils

OLIVIER CHÂTENET,
der Meister des Stils

Olivier Châtenet hat als Designer für die größten Modehäuser wie Alaïa, Thierry Mugler und Hermès gearbeitet und er hat seine eigenen Marken Mario Chanet und E2 lanciert. Während all dieser Jahre hat er eine außerordentliche Kollektion an Vintage-Mode aufgebaut und verfügt über eine der wichtigsten Kollektionen von Yves Saint Laurent Vintage-Stücken.

Er reist nicht nur mit seiner Vintage-Kollektion rund um die Welt und kuratiert Ausstellungen, er arbeitet auch als Berater für Mode und Film, weiß alles über den perfekten Schnitt und besitzt selbst eine unglaubliche Stilsicherheit.

Woher kommt dein ausgeprägtes Interesse an Yves Saint Laurent?

Als ich in den 80ern begann, in der Modeindustrie zu arbeiten, hatte ich kein sonderliches Interesse an der Marke Yves Saint Laurent. Zu dieser Zeit war seine Marke sehr klassisch und bürgerlich. Das Image von Yves Saint Laurent in den 80ern war die Karrieristin in gerade geschnittenem Blazer und kurzem Rock.

Meine Leidenschaft für seine Mode kam erst viel später, als ich nach der ultimativen Perfektion des Stils suchte. Und es ist wahr.

« Wenn man sich einige der Stücke ansieht, die Yves Saint Laurent in den letzten 30 oder 40 Jahren entworfen hat, würde ich nicht behaupten, dass sie modern sind, aber sie sind unglaublich perfekt. »

Seine Mode ist wirklich zeitlos. Sogar heute sehe ich Mädchen, die YSL Blusen tragen. Es sieht heute vielleicht sehr klassisch aus, aber Yves Saint Laurents Hauptanliegen war, dass die Frauen sich schön fühlten in seinen Kleidern.

Yves Saint Laurent sagte « Eine Frau ist am weiblichsten in einem Männeranzug. »

Ganz genau!

« Der Kontrast zwischen einem Männeranzug und einer Frau, die ihn trägt, verstärkt ihre Weiblichkeit noch mehr. »

Yves Saint Laurent war immer auf der Suche nach DEM perfekten Kleidungsstück. In den 60ern bemerkte er, dass der Erneuerungszyklus der Männermode viel langsamer, und dass Männermode viel nachhaltiger ist.

Deswegen nahm er eine Menge Teile aus der Männergarderobe und adaptierte sie für Frauen, wie den Smoking oder den Trenchcoat.

« Er sagte oft, er wünschte, er hätte die Jeans erfunden, weil die einfach perfekt ist: nonchalant, einfach und mit Sex-Appeal unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Saison. »

Was war das Geheimnis hinter Yves Saint Laurents kreativem Genie, das die Mode so revolutioniert hat?

Für mich war Yves Saint Laurent ohne Zweifel der größte Stilist des 20. Jahrhunderts, aber nicht unbedingt der größte Modedesigner.
Er hat nichts erfunden. Er hat sehr gut beobachtet und er hatte ein außerordentliches Gespür, zu wissen, was die Frauen wirklich wollten. Seine Berühmtheit baute auf Mode auf, die es schon gab, aber sein Talent war es, zu beobachten, zu adaptieren und es im richtigen Moment anzubieten.

Im Jahr 1971, als alle noch dachten, die Mode müsse von der Zukunft inspiriert werden und futuristisch aussehen, hat Yves Saint Laurent dieses Gesetz durchbrochen, indem er seine berühmte 40er-Jahre-Kollektion an der Vergangenheit orientierte. Diese Kollektion war ein riesiger Skandal und hatte großen Einfluß auf die Branche. Es war der Beginn des Retro-Stils, obwohl er ihn nicht erfunden hat. Schon in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre konnte man diesen Retro-Stil in der Modefotografie der englischen Vogue sehen, auf denen Models Kleider von Londoner Designern wie Ossie Clark oder Biba trugen.

« Er war nicht nur rein großartiger Stilist, er wusste auch sehr gut, wie man Kommunikation und das eigene Image einsetzt, um, wie man heute sagt, einen riesigen Buzz zu kreieren. »

Das beste Beispiel dafür ist eine Nacktaufnahme von ihm aus dem Jahr 1971 als er sein erstes Männerparfüm lancierte, fotografiert von Jean-Loup Sieff. Das war eine große Sache! Wenn man den Kontext der damaligen Zeit sieht, war es ganz neu und revolutionär, dass ein Designer sein eigenes Image für die Promotion seiner Marke nutzte.

Lass uns über deine Vintage-Kollektion und deine Zusammenarbeit mit Bertrand Bonello zu seinem Film „Saint Laurent“. Wie war es als Stilberater an diesem Projekt zu arbeiten?

Es war eine wunderbare Erfahrung! Ich hatte mich zuerst bei Bonnello gemeldet. Ich hörte von seinem Filmprojekt und rief ihn sofort an. Ich hinterließ eine Nachricht. Am Tag darauf rief er zurück, dann trafen wir uns zwei Tage später und die Zusammenarbeit begann.

Zuerst gab er mir das Drehbuch, um meinen Rat einzuholen und dann traf ich Anaïs Romand, die Kostümdesignerin. Wir arbeiteten sehr hart und versuchten, so genau wie möglich zu sein. Ich gab ihr alles ikonografische Material für die Reproduktion bestimmter Stücke. Ich arbeitete besonders intensiv in der Vorbereitungsphase des Films und während der Aufnahmen der wichtigsten Szenen, wie die Szenen der Modenschauen.

Die schönste Belohnung für die harte Arbeit war, als Anaïs Romand den französischen Filmpreis, den Cäsar für ihr Kostümdesign für „Saint Laurent“ gewann. Ich habe mich so für sie gefreut!

Neben deiner Filmerfahrung und deiner Arbeit als Berater für die größten Modehäuser in Paris, hast du auch einige Ausstellungen mit deiner Vintage-Kollektion in Frankreich und im Ausland gemacht, zum Beispiel die Ausstellung „Verrückt nach Yves“ 2012 in Hong Kong. Wie war die Reaktion des asiatischen Publikums?

Sie haben sehr enthusiastisch reagiert. Hong Kong ist eine junge und moderne Stadt, also war das Konzept von Vintage-Mode für die Chinesen neu.

Die Ausstellung “Verrückt nach Yves” war Teil des 20. Jahrestages des französischen Maifestivals. Es war das erste Mal, dass ich absolut freie Hand hatte für eine Ausstellung und ich hatte meine Ausstellung noch nie zuvor in so einem großen Rahmen gezeigt.

« Obwohl er nicht so viel reiste, wurde Yves Saint Laurent in seinen « imaginären Reisen » sehr von Asien inspiriert. Als er sein Parfüm Opium auf den Markt brachte, wollte er einen Duft für die Kaiserin von China kreieren. »

Deswegen war der Schlußteil der Ausstellung so eine Art « Tribut an China ». Ich zeigte seine Kreationen von 1970 bis 1980, die unter asiatischem Einfluß entstanden.

Gibt es ein Zitat von Yves Saint Laurent, das dich inspiriert ?

« Die schönsten Kleider, in die sich eine Frau einhüllen kann, sind die Arme des Mannes, den sie liebt. »

Das Zitat zeigt perfekt, wie aufrichtig seine Bewunderung für Frauen war.

Woran denkst du, wenn du Iran hörst ?

Ich denke an Farah Diba und göttliche Schönheit. 

Kredit:
Olivier Châtenets Portrait auf Cover von Christophe Roué
Olivier Châtenets Portrait vom Artikel von Angèle Châtenet
Fotos:
– Ausstellung „40 silhouettes composées d’archives YSL“, Galerie 7.5 / Paris, 2014
Kleiderstücke mit Drucken von 1970 – 1978
– Ausstellung „<i>Un regard sur Yves Saint Laurent“, Dinan / France, 2017
Kleiderstücke inspiriert von der Safari Jacke von 1968 – 1975
-Ausstellung „<i>40 silhouettes composées d’archives YSL“, Galerie 7.5 / Paris, 2014
Kleiderstücke mit Drucken von 1971 – 1983
– Portrait von Yves Saint Laurent von Jean-Loup Sieff, 1971
– Laufstegszene von Bertand Bonellos Film „Saint Laurent“
– Ausstellung „<i>Un regard sur Yves Saint Laurent“, Dinan / France, 2017
Kleiderstücke der „China“ Kollektion, Saint Laurent Rive Gauche Herbst / Winter 1979/80
– Ausstellung „Golden Needle“, Joyce / Hong Kong 2016
Kleiderstücke von Dries Van Noten, von Marni und Vintage
– Ausstellung „Golden Needle“, Joyce / Hong Kong 2016
Kleiderstücke von Marc Jacobs und Junya Watanabe/Comme des Garçons
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
http://www.olivierchatenet.com

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IMAN RAAD, Störung der Realität

IMAN RAAD,Störung der Realität

Meine ersten Begegnung mit Iman Raads Werk hat einen starken Eindruck auf mich hinterlassen. Seine Arbeiten sind von persischer Miniaturmalerei inspiriert, von Ornamenten, die man auf Lastwägen in Südostasien findet und  von Bildvervielfältigungen aufgrund von digitalen Malheuren auf Bildschirmen.  Der explosive Mix von Farben, und die widersprüchliche Kombination von Schönheit und Angst, von Lust und Schmerz sind sehr intensiv und beeindruckend. Seine Bilder halten  den Augenblick der Veränderung, der Realitätsstörung fest, genau den Moment indem etwas passieren wird.

In diesem Interview führt uns dieser iranische Künstler, der im Iran geboren ist und nun in Brooklyn lebt, durch sein neuestes Werk, das er kürzlich in der Sargent’s Daughters Gallery in New York präsentiert hat.

Wenn man deine Werke betrachtet, sieht man folkloristische Elemente der persischen Mythologie wie topographische Details Persischer Miniatur. Ist die Iranische Kultur und Folklore eine besondere Inspiration für dich?

Ja, das war sie immer für mich. Aber eigentlich ist meine Arbeit schon über die Inspirationsquelle hinaus. Sie basiert auf meiner Denkstruktur, entweder unbewusst oder bewusst.

Ich verwende kaum Elemente der persischen Kultur in meiner Kunst. Ich kann es nicht in Elemente zerlegen. Daran glaube ich nicht. Es ist ein eurozentrischer, westlicher Zugang zu ‘anderen’ Kulturen, da es eine viel einfachere und zugänglichere Art und Weise ist diese ‚anderen‘ Kulturen zu repräsentieren, darüber zu kommunizieren und zu konsumieren, wenn man sie aus ihrem Kontext reißt.

„Aber meine Arbeit bezieht sich ständig auf indexikalische Weise auf die persische Kultur, denn sie ist Teil meines Denkens. Ich habe in dieser Kultur gelebt, sie geatmet, aus ihr gelernt und ich konstruiere meine Sprache, um mit der Kunstgeschichte dadurch in den Dialog zu treten.“

Ich glaube, das ist der heutige Zugang zu Ethnizität und kultureller Identität.

Du hast gerade in der New Yorker Galeri Sargent’s Daughters eine Solo-Ausstellung namens «Tongue Tied». Kannst du ein bisschen was über deine ausgestellten Arbeiten sagen?

In der Ausstellung sieht man unterschiedliche Arbeiten, die ich alle 2016 unter dem Titel „Tongue Tied“ angefertigt habe.

„Für mich repräsentieren Bilder einen Moment der Realitätsstörung.“

Ich schaffe diese Störung durch falsche Perspektive, Durcheinanderbringen von physikalischen Gesetzen, Bildvervielfältigung inspiriert von digitalen Malheuren auf dem Bildschirm, und indem ich momentane Ereignisse als Schwelle zur Krise darstelle. In diesen Bildern erscheinen die Objekte und Früchte als animierte Dinge.

In der ‚Tongue Tied“ Ausstellung sieht man eine Serie von Bildern im Format 22×30 cm, die in Ei-Temperafarben gemalt wurden und die auf ihren eigenen schmalen Regalen angebracht sind. Ich habe erst kürzlich begonnen, mit Ei-Tempera auf Paneele zu malen. Der Vorgang ist langsam und ermüdend, und das hasse ich, obwohl ich diese Art von meditativer Zeit brauche. Aber das Medium passt perfekt zu meiner Arbeit. Mir gefällt, wie das Eigelb auf der glatten Oberfläche der Claybord-Paneele entlangfließt, und auch die Textur, die ungemischte Pigmente hinterlassen. Die Farben leuchten und ich mag, dass es so aussieht wie bemalte Fliesen.

Ich zeigte eine große Marker-Zeichnung, die ich früher gemacht habe. Diese Zeichnung reflektiert das komplexe Zusammenspiel zwischen ornamentalen Tischdecken, Tapeten und Teppichen, unterbrochen von langen Reihen sich überlappender Vögel, die sich über das Bild bewegen. Ich brauchte einen Monat, um diese 1,5 x 2,0 m Zeichnung zu realisieren.

Den Helden der Ausstellung nenne ich manchmal auch Don Quixote. Er ist eine flache kniende Figur mit Flagge in der Hand. Ein Bild von mir auf seiner Brust erinnert an Barbara Krugers Arbeit ‘Dein Körper ist ein Schlachtfeld’.

Man kann auch eine großflächige Wandmalerei sehen, die ich direkt auf die Bürowand der Sargent’s Daughters Gallerie gemalt habe. Diese Arbeit hat vier Tage und 2 Assistenten gebraucht und war nur für die limitierte Dauer der Ausstellung bestimmt.

Du hast auch eine Performance aufgeführt mit dem Titel « Two-headed Imagomancy », zusammen mit Shahrzad Changalvaee, die eine iranischen Künstlerin ist und auch deine Frau. Was bedeutet der Titel und worum geht es in der Aufführung?

Shahrzad und ich haben beide Grafik Design gelernt. Wir waren beide Mitglieder des Dabireh-Kollektivs. Das Dabireh-Kollektiv wurde 2008 von Reza Abedini gegründet und war ein Zusammenschluss von Grafik-Designern, Font-Designern und Linguisten, die die Persische Sprache, ihr Alphabet, Kalligraphie und Typographie studierte.

Als wir in die USA zogen, bekamen wir Angebote, über unsere grafischen Arbeiten zu sprechen und wir entschieden, daraus ein Projekt zu machen, welches Vortrag, Performance und Geschichtenerzählen umfasste.

„Die Idee entstammt dem traditionellen Geschichtenerzählen in Kaffeehäusern in Iran, das man Pardeh-khani nennt.“

Unsere Erzählung enthält Geschichten in Geschichten, historische Fakten, persönliche Erlebnisse, Mythen und Fiktionen. Aber alles dreht sich dabei um Sprache und Schrift, hauptsächlich persisch-arabische Schriftgeschichte. Die Aufführung ändert sich von Ort zu Ort, je nach Publikum und Dauer. Bei jeder Veranstaltung zeigen wir im Hintergrund ein spezielles Bild, das die Geschichte illustriert und ein signifikantes Bild, das sich auf den Veranstaltungsort oder die Veranstaltung selbst bezieht.

Das « Two-headed » im Titel bezieht sich auf uns als Geschichtenerzähler im Doppelpack und « imagomancy » kommt von der Kombination aus ‘imago’ und ‘mancy.’ ‘Imago’ ist das lateinische Wort für Bild und ‘mancy’ bedeutet so viel wie Weissagung unter Benutzung passender Objekte oder Gesten wie bei Bibliomantie, Geomantie oder Palmomantik (Anm.: Weissagung hergeleitet aus Körperzuckungen).

Die Gedichte von Hafis, Rumi sind sehr präsent im täglichen Leben eines Iraners. Gibt es ein Gedicht der besagten Poeten, das dich durchs Leben begleitet?

Nein, nichts Spezifisches, an das ich mich erinnern könnte. Vielleicht generell, wie du sagst, weil sie so präsent sind in Iran, haben sie auch meine Gedanken unbewusst beeinflusst.

Was sind deine Zukunftspläne?

Weiter zu arbeiten.

Kredit:
Alle Arbeiten von Iman Raad
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
 http://www.imanraad.com/

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VAQAR, Die neue Generation der Mode Avantgarde

VAQAR, Die neue Generation der Mode Avantgarde

Vaqar ist ein neues iranisches Mode-Label aus Teheran, das am renommierten LVMH Preis für junge Modedesigner 2016 teilnahm.

Hinter dem jungen Label verbergen sich zwei hübsche und kreative Schwestern, Shiva und Schirin Vaqar, die Mode im zeitgemäßen Stil und mit universaler Attraktivität entwerfen. Mit ihrem anders definierten Konzept der Moderne bringen sie frischen Wind in die internationale Modeszene.

Ihre Frühling/Sommerkollektion 2018 wurde bei der Pariser Modewoche im September vorgestellt.

2016 wurdet ihr eingeladen, am LVMH-Preis für junge Modedesigner teilzunehmen. Wie war diese Erfahrung? War es das erste Mal, dass ihr euer Label außerhalb von Iran präsentiert habt?

Es war eine super Erfahrung für uns, ein Wendepunkt, der uns ermutigt hat, noch besser zu werden. Es war das erste Mal, dass wir unsere Arbeiten außerhalb Irans vorgeführt haben.

Obwohl es in Iran keine Modeschule gibt, oder eine andere Institution, die iranische Mode-Designer unterstützt, wie kommt es, dass ihr euch für die Modeindustrie entschlossen habt? Was habt ihr studiert und wann habt ihr mit eurem Label „Vaqar“ angefangen?

Ich habe Business Management studiert und Schirin Visuelle Kunst. Wir hatten schon immer den Wunsch, zusammen zu arbeiten und Mode war etwas, das wir beide sehr spannend fanden. Also entschieden wir, es zu versuchen und 2013 haben wir mit Vaqar begonnen.

Erzähle mir mehr über die iranische Modeszene. Gibt es Fortschritte im Hinblick auf Unterstützung und Förderung iranischer Mode-Labels?

Seit kurzem wird Mode in Iran ernster genommen. Die größte Unterstützung kommt von den Menschen hier, die angefangen haben, iranischen Marken mehr Bedeutung zu geben. Deswegen gibt es jetzt häufiger Mode-Events, was für uns als Designer eine große Motivation bedeutet.

„Wir meinen, das ist erst der Anfang von iranischer Mode und in ein paar Jahren wird es sogar noch besser werden.“

Euer Stil ist sehr zeitgemäß und hat universellen Anspruch. Was inspiriert euch? Ist die iranische Kultur eine Quelle der Inspiration für euch?

Fast alles inspiriert uns. Wir versuchen, alte Stile zu modernisieren, indem wir mit unseren Inspirationen einen neuen Anknüpfungspunkt finden.

„Der Einfluss unseres kulturellen Erbes auf unsere Entwürfe ist nicht zu leugnen.“

Die Werte unserer Kultur beeinflussen unser Denken und nachfolgend auch unsere Entwürfe.

Eure modernen und konstruktivistischen Stile in Monochrome erinnern mich an Mode-Ikonen wie Yohji Yamamoto oder Rei Kawakubo. Haben diese Designer eure kreative Entwicklung beeinflusst?

Wir lieben Yohji Yamamoto. Aber die Farben, die wir verwenden basieren absolut auf unseren gewählten Konzepten und unsere Konzepte sind ein Ergebnis unserer Stimmung zu bestimmten Zeiten. Wir fühlen uns also nicht verpflichtet, nur monochromatische Farben zu benutzen.

Welche Vor oder Nachteile hat es auf die Zusammenarbeit, dass ihr Geschwister seid?

Nachteile haben überhaupt nicht festgestellt, im Gegenteil. Wir kennen einander sehr gut, es ist leichter für uns, die Meinung des anderen zu verstehen und zusammen Entscheidungen zu treffen. Wir haben unterschiedliche Fähigkeiten und damit komplementieren wir einander und schaffen mehr Effizienz.

Arbeitet ihr mit Musik? Was hört ihr wenn ihr gerade an eurer neuen Kollektion arbeitet?

Musik hat einen großen Anteil an unserem Design-Verlauf. Wir haben gerade den Isländer Olafur Arnalds gehört, insbesondere „Til Enda“ und „Gleypa Okkur”.

Wann und wo zeigt ihr eure neue Kollektion? Könnt ihr mir einen Vorgeschmack auf eure Frühjahr/Sommerkollektion 2018 geben?

Normalerweise präsentieren wir zu Beginn jeder Saison eine Kollektion in Tehran und zweimal im Jahr bei der Modewoche in Paris.

Dieses Jahr zeigen wir voraussichtlich unsere Frühling/Sommerkollektion 2018 während der Modewoche in Paris Ende September.

„Unsere nächste Kollektion enthält moderne Versionen traditioneller Gewänder, die an antike iranische Statuen erinnern. „

Ihr lebt in Tehran, was mögt ihr an der Stadt? Was sind eure Lieblingsorte?

Was wir an Tehran mögen, ist die Nostalgie.

Unsere Lieblingsorte sind zum Beispiel der Tehran Basar, Tajrish…

Kredit:
Alle Kreationen: Vaqar
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
http://vaqar.com/
https://www.instagram.com/_vaqar_//

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DELPHINE DELAFON, Punkrock Chic einer Amazone

DELPHINE DELAFON,
Punkrock Chic einer Amazone

Delphine Delafons Beuteltasche ist DAS It-Piece der Saison, auf das alle Mädchen von Paris bis Tokyo stehen.

Ihre Werkstatt liegt im 10. Bezirk von Paris und mutet an wie Ali Babas Höhle, gefüllt mit außerordentlichen Stoffen, exotischen Ledersorten in unglaublichen Farben und mit allen möglichen Beschlägen. Dort empfängt die Punkrock-Amazone mit der rauchigen Stimme ihre Kunden, entwirft ihre einmaligen Kollektionen und fertigt ihre feschen Taschen an.

Seit wann stellst du deine eigene Marke her?


Seit ich 15 bin, wollte ich meine eigene Marke haben und meine eigenen Kreationen verkaufen, die meinen Namen tragen.

Ich begann während meiner Schwangerschaft. Ich war zuhause und machte eine Tasche für mich selbst. Meine Freundinnen sahen sie und wollten sofort auch eine, und dann Freunde von Freunden und so weiter. Ich lud sie ein, damit sie sich Materialien und Stoffe aussuchten. Die Idee dahinter war, dass jede von ihnen ihre ganz persönliche Tasche bekommt.

Durch die Mund-zu-Mund-Werbung bekam ich viele Kunden und nach zwei Jahren wurde es ein ernsthaftes Geschäft.

Die ersten 500 Taschen nähte ich alle selbst auf meiner Nähmaschine in der Küche. Aber irgendwann wurden es so viele Bestellungen, dass ich die Arbeit an eine Näherei delegieren musste.

Seit dem Beginn deines Labels, bietest du deinen Kunden maßgeschneiderte Lösungen an. Denkst du, es gibt heute eine große Nachfrage nach Unikaten?

Obwohl ich vor ein paar Saisons eine Kollektion von Taschen lanciert habe, die außerhalb meiner Werkstatt hergestellt werden, Konfektionsware als Antwort auf die große Nachfrage, steigt die Nachfrage nach Unikaten ständig.

„Heute sind Kunden dazu bereit, mehr Geld zu zahlen, um ihre einzigartige Delphine Delafon Tasche zu haben. Sie schätzen das Savoir-Faire und den Umstand, dass die Tasche in meiner Werkstatt in Paris hergestellt wird. Sie kommen gern in mein Atelier, um mich zu treffen und zusammen die Materialien für ihre Tasche auszuwählen.“

Jedes Delphine Delafon Tasche wird in limitierter Auflage in geringer Stückzahl hergestellt.

Nach deinen erfolgreichen Taschen beginnst du nun mit einer Modelinie. Was ist die Verbindungslinie zwischen Taschen und Kleidung?

Für meine Modelinie möchte ich das gleiche Konzept, wie für meine Taschen, also die Herstellung so kunsthandwerklich wie möglich zu halten und zu 100 % in Frankreich. Es gibt kein Etikett in den Kleidern, aber sie sind von mir handsigniert mit „Delphine Delafon“.

Ich möchte auch, dass die Kunden in mein Atelier kommen und ihre Kleidung ganz persönlich mitgestalten.

Für mich sind solche Details einfach sehr wichtig, um zu zeigen, dass es um die Handwerkskunst geht. Mir ist aufgefallen, dass die Leute sehr empfänglich für die Gefühle des Designers und seinen eigenen Kreationen bzw. seiner Marke gegenüber sind.

Anstelle einer Modenschau, hast du lieber eine große Festivität für alle gemacht, wie bei deiner Frühling/Sommer Präsentation letztes Jahr. Deine Herbst/Winter Präsentation für 2017/18 war eine dreistündige Aufführung, inspiriert von traditionellen katholischen Begräbnissen in Sizilien, gemischt mit Punk-Elementen und Neonlichtern. Das ist eher eine unkonventionelle Art, seine Kollektion vorzustellen.

„Ich wäre gern konventionell, aber ich kann es einfach nicht. Also mache ich auf meine Art weiter.“

Jede Show ist eine intensive Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Leuten, die ich sehr mag und bei der jeder seine Ideen einbringt. Ich arbeite gern mit Freunden an einem Projekt zusammen, die mich und mein künstlerisches Universum kennen.

Wo findest du deine wunderbare Auswahl an Stoffen und Ledersorten?

Zum Glück gibt es immer noch ein paar Lieferanten in Paris, die nicht weit von meiner Werkstatt entfernt sind. Dort bekomme ich wunderschöne Ledersorten, Echsenleder, Schlangenleder, Alligator-Leder in ganz verschiedenen Farben.

Viele der Stoffe finde ich auf meinen Reisen. Mein Freund hat für ein Jahr in Vietnam und Cambodia gelebt, da habe ich ihn oft besucht und dort wunderschöne traditionelle Stoffe gekauft. Ich war letztes Jahr auch in Kenia und habe dort viele Stoffe mit wunderbaren afrikanischen Drucken gefunden.

Gibt es einen Künstler, tot oder lebendig, den du verehrst?

Seit ich 12 bin, habe ich eine Leidenschaft für Modefotografie.

„Mein absoluter Favorit ist Helmut Newton. Ich liebe die Atmosphäre und die sexuelle Ästhetik in seinen Bildern.“

Gibt es ein Kunstwerk, das du liebst oder welches dich überwältigt?

Musik fasziniert mich, weil sie so abstrakt und unfassbar ist und trotzdem so starke Emotionen auslösen kann.

Ich bin ein großer Fan der Beatles und besonders der Song „While my guitar gently weeps“ zieht mich jedes Mal aus dem Alltag raus und führt mich zu imaginären Orten.

Was assoziierst du mit Iran?

Ich denke an ein sehr starkes Land mit einer intensiven politischen Vergangenheit und an den Status von und die Lebensbedingungen für Frauen, ein Thema, das mir wichtig ist.

Kredit:
Portrait von Delphine Delafon: Nina Koltchitskaia
Frühjahr/Sommer 2017 Kollection und alle anderen Fotos: Basile Mookherjee
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
http://www.delphinedelafon.com/

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AMIN MONTAZERI, Märchen und Mythen der Melancholie

AMIN MONTAZERI,
Märchen und Mythen der Melancholie

Die iranische Kunstszene hat außerordentliche Künstler, die einen Weg finden, ihr üppiges persisches Kulturerbe mit moderner westlicher Kunst zu verknüpfen. Amin Montazeri ist definitiv einer dieser neuen Talente, den wir weiter im Auge behalten sollten.

Als ich die Arbeiten des jungen Künstlers aus Teheran entdeckte, war ich von der mysteriösen, umfangreichen und apokalyptischen Atmosphäre seiner Bilder beeindruckt. Sie berührten mich mit ihrer Melancholie. Seine Arbeiten sind so intensiv und obskur wie die von Pieter Brueghel oder Hieronymus Bosch.

Amin Montazeris Haupt-Thema ist Geschichte und die Rolle der Märchen, Legenden und Mythen in der Geschichte. Jeder trifft in seinem Leben auf diese Märchen, aber manchmal versuchen die Menschen, vor ihrem Schicksal zu fliehen, ändern es und schreiben die Geschichte neu. Was sind die Konsequenzen und was für ein Märchen entsteht aus so einer Änderung?

Er hinterfragt in seinen Arbeiten auch die Wiederholung der Geschichte, die aus der zu beobachtenden Vergesslichkeit der Menschen herrührt, sogar wenn es sich dabei um schmerzvolle und furchtbare Erfahrungen handelt.

Amin Montazeri wurde 1992 geboren und macht gerade seinen MA in Malerei am College für Bildende Künste in Teheran. Seine nächste Ausstellung findet im Oktober in der Dastan Galerie in Teheran statt und vielleicht ist er auch bei der Art Dubai in diesem Jahr dabei.

Credits:
All works by Amin Montazeri
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
http://www.instagram.com/aminmontazery/

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Anahita's Eye