RAUL ILLARRAMENDI, Spurenzeichner der Zeit
Sobald man Raul Illarramendis Atelier betritt, spürt man die unglaubliche kreative Dynamik dieses venezolanischen Künstlers, der in seiner neuesten Werk zu seinen Wurzel zurückkehrt, nachdem er Venezuela vor 18 Jahren verlassen hatte. Fasziniert von den Spuren der Zeit und deren Identität, geht er in seiner derzeitigen Ausstellung „Offerings“ dem 1967 beim Erdbeben in Caracas auf den Boden gefallenen Kirchenkreuz nach. Mit extremer Genauigkeit gibt er dessen in den Asphalt verewigten Abdruck wieder und beeindruckt den Betrachter mit seinem unglaublich zeichnerischen Können, das er auf eine ungewöhnliche Weise in seinen Bundstiftgemälden anwendet.
Raul Illarramendi ist viel gereist bevor er sich bei Paris niederließ, und nun dort mit seiner Frau der schottischen Künstlerin Georgia Russell und deren Kindern lebt und arbeitet. Seine Arbeiten werden regelmäßig in Solo- und Gruppenausstellungen in Europa, Lateinamerika und in den USA gezeigt.
Du bist aus Venezuela, wo du Assistent des Venezuelanischen Malers Felix Perdomo in Caracas warst, bevor du dann dein Kunststudium in Evansville in den USA fortgesetzt hast. Danach bist du nach Frankreich gezogen, um an der Jean Monnet Universität in Saint Etienne zu studieren und hast dort dein Studium mit einem MA abgeschlossen. Nun lebst und arbeitest du in Méru, in einem charmanten Ort nicht weit von Paris.
Was für eine Reise rund um die Welt getrieben von deiner Leidenschaft für die Kunst !
Was hast du auf jeder deiner Stationen als Künstler gelernt?
Auch wenn ich in all diesen Ländern immer für längere Zeit gelebt habe, glaube ich nicht viel gereist zu sein. Verstehe mich nicht falsch, natürlich habe ich viele Orte bereist, aber es war letztendlich meine Arbeit, die den Anker gelegt hat. Ich mag es, die Identität eines Ortes aufzufangen und zu verstehen, und das braucht Zeit. Für mich schauen Künstler zuerst in ihr Inneres, bevor sie dann beobachten, was aussen um sie herum passiert. In meinem Fall muss ich zuerst meine Umgebung verstehen, um kreativ sein zu können. Jeder Ortswechsel, jedes Atelier brachte mir neue Erfahrungen und hat mir Neues beigebracht, was mich zu dem Künstler gemacht hat, der ich heute bin, mit all seinen Spuren, die dieser Lebensweg hinterlassen hat.
Genau um diese Spuren des Lebens geht es auch in deiner Arbeit, Spuren und ihre Geschichte, Spuren von Staub, Schmutz, Kratzer oder Fingerabdrücken auf Wänden, Türen, oder an anderen Stellen einer urbanen Umgebung, die Leute gewöhnlich wegwischen wollen. Du aber reproduzierst sie, und gibt sie sehr detailliert auf deine Art und Weise wieder.
Ja, aber für mich ist dieses Detail genau so wichtig wie das gesamte Bild. Vielleicht ist dies auch mein Fehler, das diese technische Dominanz den Betrachter zum Detail zieht.
Was diese Einzelheiten betrifft, so repräsentieren sie eine gewisse Identität, eine Absichtlichkeit, ein Missgeschick. Jede Spur, jeder Abdruck ist Zeuge eines persönlichen Ereignisses, eines Momentes, und auch wenn in meinem Fall dies wie eine fotografisches Wiedergabe erscheint, konstruiere ich diese Ereignisse und kontrolliere diese Missgeschicke, die dann ein Ganzes ergeben.
„Bei diesen von mir zusammengestellten Kompositionen denke ich eher an Spuren der Geschichte als an die Geschichte der Spuren.“
Seit dem Beginn abstrakter Kunst, schauen Künstler genauer auf diese Flecken und Spuren, um gewollt oder ungewollt, eine Gestalt darin zu finden.
Wenn wir schon von Missgeschicken reden, so magst du kleine ungeplante Unfälle während deiner Arbeit an einem Bild, die doch absolute Konzentration erfordern ? Oder bist du eher ein absoluter Control Freak, der sich an seinem Ausgangsplan hält.
Nein, ich kontrollieren natürlich nicht alles. Nein.
Es stimmt, dass ich gerne in meinen Bildern, was die Technik betrifft, meine Grenzen überschreite. Künstler, die es geschafft haben, die Grenzen ihres Könnens bis zum kompletten Weglassen des Gebrauchs ihrer Hände geführt haben, beeindrucken mich. Ich kenne meine Grenzen und habe gelernt, dies nicht als Hindernis sondern sogar als ein zusätzliches Arbeitsinstrument zu betrachten. Wenn man alle technischen Probleme löst, dann gibt es keine Herausforderung mehr. Und Malen ist das Lösen von Problemen.
Und wenn du manchmal keine Lösung findest, fragst du deine Frau, die schottische Künstlerin Georgia Russell, um Rat?
Ja, wir gehen durch das Atelier des anderen, um unsere Meinungen abzugeben, besonders in sehr wichtigen Arbeitsphasen, zum Bespiel kurz vor einer Ausstellung, wenn wir alles hassen und Zweifel haben. Wir sagen, was gut ist, und was eine schlechte Wahl ist. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich derjenige von uns beiden bin, der schlechter mit Kritik umgehen kann, so fühlen wir uns beide immer stärker nach diesen Diskussionen.
Deine neueste Ausstellung, die zurzeit unter dem Titel „Offerings“ in der Galerie Karsten Greve in Köln gezeigt wird, behandelt die Spuren des vom Kirchturm gefallenen Kreuzes der Kathedrale in Caracas, das während des starken Erdbebens in 1967 passiert ist. War es für dich wichtig durch dieses Thema wieder eine Verbindung zu Venezuela Aufzugauen, das du vor 18 Jahren verlassen hast?
Ja, die Entfernung und Zeit waren die Auslöser für diese Serie an Bildern. Wie viele meiner Themen hat sich auch dieses Projekt auf eine sehr unerwartete Weise ergeben. Die Voraussetzungen waren sehr einfach. Ein spirituelles Ereignis, das mit einem geschichtlichen verbunden ist, das wie eine symbolische Metapher zur aktuellen politischen Krise, die zurzeit in Venezuela herrscht, gesehen werden kann, sowie auch eine persönliche Verbindung und eine künstlerische Herausforderung.
„Ich habe vor zwei Jahren mit diesem Projekt angefangen, das mir in dieser Zeit sehr bedeutende Erfahrungen für das Lebens und der Geschichte gebracht hat, sowie auch wichtige Begegnungen mit Leuten und auch mit mir selbst. Dieses Projekt hat mir auf jeden Fall geholfen, wieder eine Verbindung mit meinem Geburtsort aufzubauen.“
Als ich dein Atelier besucht habe, ist mir aufgefallen, dass du, bevor du zu arbeiten anfängst, zuerst eine Schallplatte auflegst, um Musik zu machen. Ist für dich Musik wichtig beim Arbeiten ?
Ja, mir ist Musik sehr wichtig und begleitet mich überall. Wenn ich mir nicht meine Platten anhöre, dann höre ich Radio oder meine Hörbücher, die zurzeit meine einzige Literatur sind. Ich hänge sehr an meiner Schallplattensammlung, denn da ich in meiner Familie der jüngste unter den Kindern war , haben meine ältere Geschwister mir nie erlaubt, ihre Platten auch nur anzugreifen. Nun haben ich endlich meine eigenen.
In letzter Zeit höre ich gerne Isaac Sassons « Cantos Campesinos », der viele venezolanische Instrumente spielt, und Volksmusik mit traditioneller Musik mischt. Auch finde ich die türkische Band Altin Gün sehr cool, deren Musik mich richtig zum Tanzen bringt.
Was kommt dir in den Sinn, wenn du an den Iran denkst?
Meine Kenntnis über den Iran ist sehr begrenzt, aber ich denke an Rosenwasser und Safran und « Prince of Persia, das Video Game, das mich in den 90ern am meisten an den Bildschirm gefesselt hat. ich denke auch an an gute Freunde und schöne Menschen.
Auch wenn die Geschichte beider Länder sehr verschieden ist, so gibt es eine sehr feste Bindung zwischen Iran und Venezuela. Es wäre schön, wenn diese Verbindung auch über geopolitische Interessen hinausginge, und mehr ein Kulturaustausch wäre.
Iran ist ein Land, das ich sehr gerne bereisen würde.
Kredit:
Fotos: Anahita Vessier
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier
Raul Illarramendi Instagram
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