IMAN RAAD, Störung der Realität

IMAN RAAD,Störung der Realität

Meine ersten Begegnung mit Iman Raads Werk hat einen starken Eindruck auf mich hinterlassen. Seine Arbeiten sind von persischer Miniaturmalerei inspiriert, von Ornamenten, die man auf Lastwägen in Südostasien findet und  von Bildvervielfältigungen aufgrund von digitalen Malheuren auf Bildschirmen.  Der explosive Mix von Farben, und die widersprüchliche Kombination von Schönheit und Angst, von Lust und Schmerz sind sehr intensiv und beeindruckend. Seine Bilder halten  den Augenblick der Veränderung, der Realitätsstörung fest, genau den Moment indem etwas passieren wird.

In diesem Interview führt uns dieser iranische Künstler, der im Iran geboren ist und nun in Brooklyn lebt, durch sein neuestes Werk, das er kürzlich in der Sargent’s Daughters Gallery in New York präsentiert hat.

Wenn man deine Werke betrachtet, sieht man folkloristische Elemente der persischen Mythologie wie topographische Details Persischer Miniatur. Ist die Iranische Kultur und Folklore eine besondere Inspiration für dich?

Ja, das war sie immer für mich. Aber eigentlich ist meine Arbeit schon über die Inspirationsquelle hinaus. Sie basiert auf meiner Denkstruktur, entweder unbewusst oder bewusst.

Ich verwende kaum Elemente der persischen Kultur in meiner Kunst. Ich kann es nicht in Elemente zerlegen. Daran glaube ich nicht. Es ist ein eurozentrischer, westlicher Zugang zu ‘anderen’ Kulturen, da es eine viel einfachere und zugänglichere Art und Weise ist diese ‘anderen’ Kulturen zu repräsentieren, darüber zu kommunizieren und zu konsumieren, wenn man sie aus ihrem Kontext reißt.

“Aber meine Arbeit bezieht sich ständig auf indexikalische Weise auf die persische Kultur, denn sie ist Teil meines Denkens. Ich habe in dieser Kultur gelebt, sie geatmet, aus ihr gelernt und ich konstruiere meine Sprache, um mit der Kunstgeschichte dadurch in den Dialog zu treten.”

Ich glaube, das ist der heutige Zugang zu Ethnizität und kultureller Identität.

Du hast gerade in der New Yorker Galeri Sargent’s Daughters eine Solo-Ausstellung namens «Tongue Tied». Kannst du ein bisschen was über deine ausgestellten Arbeiten sagen?

In der Ausstellung sieht man unterschiedliche Arbeiten, die ich alle 2016 unter dem Titel „Tongue Tied“ angefertigt habe.

“Für mich repräsentieren Bilder einen Moment der Realitätsstörung.”

Ich schaffe diese Störung durch falsche Perspektive, Durcheinanderbringen von physikalischen Gesetzen, Bildvervielfältigung inspiriert von digitalen Malheuren auf dem Bildschirm, und indem ich momentane Ereignisse als Schwelle zur Krise darstelle. In diesen Bildern erscheinen die Objekte und Früchte als animierte Dinge.

In der ‘Tongue Tied” Ausstellung sieht man eine Serie von Bildern im Format 22×30 cm, die in Ei-Temperafarben gemalt wurden und die auf ihren eigenen schmalen Regalen angebracht sind. Ich habe erst kürzlich begonnen, mit Ei-Tempera auf Paneele zu malen. Der Vorgang ist langsam und ermüdend, und das hasse ich, obwohl ich diese Art von meditativer Zeit brauche. Aber das Medium passt perfekt zu meiner Arbeit. Mir gefällt, wie das Eigelb auf der glatten Oberfläche der Claybord-Paneele entlangfließt, und auch die Textur, die ungemischte Pigmente hinterlassen. Die Farben leuchten und ich mag, dass es so aussieht wie bemalte Fliesen.

Ich zeigte eine große Marker-Zeichnung, die ich früher gemacht habe. Diese Zeichnung reflektiert das komplexe Zusammenspiel zwischen ornamentalen Tischdecken, Tapeten und Teppichen, unterbrochen von langen Reihen sich überlappender Vögel, die sich über das Bild bewegen. Ich brauchte einen Monat, um diese 1,5 x 2,0 m Zeichnung zu realisieren.

Den Helden der Ausstellung nenne ich manchmal auch Don Quixote. Er ist eine flache kniende Figur mit Flagge in der Hand. Ein Bild von mir auf seiner Brust erinnert an Barbara Krugers Arbeit ‘Dein Körper ist ein Schlachtfeld’.

Man kann auch eine großflächige Wandmalerei sehen, die ich direkt auf die Bürowand der Sargent’s Daughters Gallerie gemalt habe. Diese Arbeit hat vier Tage und 2 Assistenten gebraucht und war nur für die limitierte Dauer der Ausstellung bestimmt.

Du hast auch eine Performance aufgeführt mit dem Titel « Two-headed Imagomancy », zusammen mit Shahrzad Changalvaee, die eine iranischen Künstlerin ist und auch deine Frau. Was bedeutet der Titel und worum geht es in der Aufführung?

Shahrzad und ich haben beide Grafik Design gelernt. Wir waren beide Mitglieder des Dabireh-Kollektivs. Das Dabireh-Kollektiv wurde 2008 von Reza Abedini gegründet und war ein Zusammenschluss von Grafik-Designern, Font-Designern und Linguisten, die die Persische Sprache, ihr Alphabet, Kalligraphie und Typographie studierte.

Als wir in die USA zogen, bekamen wir Angebote, über unsere grafischen Arbeiten zu sprechen und wir entschieden, daraus ein Projekt zu machen, welches Vortrag, Performance und Geschichtenerzählen umfasste.

“Die Idee entstammt dem traditionellen Geschichtenerzählen in Kaffeehäusern in Iran, das man Pardeh-khani nennt.”

Unsere Erzählung enthält Geschichten in Geschichten, historische Fakten, persönliche Erlebnisse, Mythen und Fiktionen. Aber alles dreht sich dabei um Sprache und Schrift, hauptsächlich persisch-arabische Schriftgeschichte. Die Aufführung ändert sich von Ort zu Ort, je nach Publikum und Dauer. Bei jeder Veranstaltung zeigen wir im Hintergrund ein spezielles Bild, das die Geschichte illustriert und ein signifikantes Bild, das sich auf den Veranstaltungsort oder die Veranstaltung selbst bezieht.

Das « Two-headed » im Titel bezieht sich auf uns als Geschichtenerzähler im Doppelpack und « imagomancy » kommt von der Kombination aus ‘imago’ und ‘mancy.’ ‘Imago’ ist das lateinische Wort für Bild und ‘mancy’ bedeutet so viel wie Weissagung unter Benutzung passender Objekte oder Gesten wie bei Bibliomantie, Geomantie oder Palmomantik (Anm.: Weissagung hergeleitet aus Körperzuckungen).

Die Gedichte von Hafis, Rumi sind sehr präsent im täglichen Leben eines Iraners. Gibt es ein Gedicht der besagten Poeten, das dich durchs Leben begleitet?

Nein, nichts Spezifisches, an das ich mich erinnern könnte. Vielleicht generell, wie du sagst, weil sie so präsent sind in Iran, haben sie auch meine Gedanken unbewusst beeinflusst.

Was sind deine Zukunftspläne?

Weiter zu arbeiten.

Kredit:
Alle Arbeiten von Iman Raad
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
 http://www.imanraad.com/

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