HORMOZ HEMATIAN & ASHKAN ZAHRAEI, Electric Room, Kunst unter Hochspannung
Teherans Kunstszene ist energiegeladen und reich an aussergewöhnlich talentierten Künstlern. Viele von ihnen sind erst nach der Islamischen Revolution geboren.
Hormoz Hematian, Gründer und Leiter der Dastan Galerie, eine der hippsten Kunstinstitutionen für zeitgenössische Kunst der iranischen Hauptstadt, und sein Freund Ashkan Zahraei, Kurator und Kummunikationsmanager von Dastan, reisen ununterbrochen rund um die Welt, zwischen Teheran und den wichtigsten Kunstmessen, um die Arbeit ihrer Künstler zu promoten und internationale Zusammenarbeiten zu entwickeln.
Diese zwei Workaholics und bedingungslose Kunstliebhaber haben tausend kreative Ideen im Kopf, fürchten sich vor keiner Herausforderung und haben 2017 „Electric Room“ gegründet, bestimmt das verrückteste, intensivste und anspruchsvollste Kunstprojekt, das Teheran zu einem wahren Reservoir von Kreativität macht und gewiss auch zu einem der interessantesten und energiegeladensten Orte zeitgenössischer Kunst.
‚Electric Room‘ ist ein sehr interessantes und ambitioniertes Kunstprojekt, das ihr entwickelt habt und in die Kunstszene im Iran eingeführt habt. Wie ist diese Idee entstanden?
AZ: Teheran hat eine sehr kleine Kunstszene. Durch meine Arbeit als Schriftsteller und Kurator sowohl für die Dastan Galerie als auch für andere, habe ich viele Künstler kennengelernt, die Kunstinstallationen präsentieren wollten, wofür es in Teheran keinen passenden Ort gab, der offen war für diese Art von experimentellen Projekten.
Deswegen hatten Hormoz und ich die Idee, das Kunstkonzept „Electric Room“ zu starten.
Das Konzept war, 50 verschiedene experimentelle Kunstprojekte in 50 Wochen zu zeigen, jede Woche ein neues Werk eines meist unbekannteren Künstlers. So hatte dieses Projekt einen genau definierten Beginn und auch ein genau bestimmtes Ende.
Das ist ein anspruchsvolles Projekt. Eine richtige Herausforderung!
HH: Ja, eine enorme Herausforderung! Das ist mehr als manche Galerien in fünf Jahren zeigen!
Aber als Besitzer von drei Gallerien in Teheran, fehlte mir schon seit langem eine gewisse Spontanität beim Organisieren von Ausstellungen. Electric Room gab uns die Möglichkeit, das Romantische in der Kunst wiederzufinden und dieses Erlebnis mit allen zu teilen.
So öffneten wir im Juni 2017 die Türen dieses temporären Ausstellungsortes, nicht größer als 30m2, im Stadtzentrum Teherans, gleich neben der Kunst-und Architekturuni, nur ein paar Gehminuten von der Universität bildender Künste entfernt und vieler anderer wichtiger Kulturinstitutionen.
Dieser Bezirks ist sehr dynamisch und sehr lebhaft. Es gibt dort viele Studenten, und die Atmosphäre ist wirklich gut.
Wir haben das Projekt Electric Room genannt, weil auf einer Wand ausschließlich nur Stromkästen und Steuergeräten installiert sind. Es ist wirklich ein sehr cooler und ungewöhnlicher Ort.
AZ: Glücklicherweise sind wir beide totale Workaholics!
Das war ein unglaubliches und sehr intensives Projekt, das so viele Monate gedauert hat. Wir wollten den Leuten wirklich ein einzigartiges Erlebnis bieten.
Jede Woche hatten wir nur einen Tag, um die aktuelle Ausstellung abzubauen, die Wände frisch zu streichen und die neue Ausstellung aufzubauen. Und das ging so jede Woche, 14 Monate lang. Das war ein total verrückter Rhythmus!
Und wie hat das iranische Publikum auf dieses Projekt reagiert?
HH: Die Reaktionen waren fantastisch!
Die Stimmung bei jeder Vernissage war so pulsierend, so „elektrisch“ im wahrsten Sinne des Wortes
Es kamen so viele Besucher, dass es in der Galerie nicht genug Platz gab.
Und was für Typ von Besucher kam zu euren Vernissagen?
HH: Die richtigen Leute. Junge Leute, Kunstliebhaber, potentielle Kunden, Leute, die normalerweise nie Galerien besuchen, aber einfach nur das Ambiente liebten und den Ort toll fanden. Jede Vernissage dauerte 4 bis 5 Stunden.
AZ: Wir haben auch andere Galerien Teherans eingeladen, um ihnen die Künstler vorzustellen.
Die Grundidee Electric Rooms war spontan, offen, leicht zugänglich und großzügig zu sein.
50 Kunstprojekte 50 Künstler in 50 Wochen zu zeigen ist eine ziemliche Herausforderung. Wie konntet ihr permanent neue Künstler finden?
AZ: Der Schwerpunkt lag auf verschieden Projektebenen:
Installationen, Ausstellungen eines einzigen Objektes, Fotos, Videos und Multimediaprojekte und auch Projekte im Zusammenhang mit Archivarbeit, wie zum Beispiel das « Teheran UFO Projekt »
Ich bin ein absoluter UFO-Fanatiker, und diese Ausstellung war eine Präsentation alter Dokumente und Archive, wie Zeitungsartikel und Filme, die zu diesem historischen Ereignis, das sich im Jahre 1976 ereignet hat, als UFOs über Teheran gesehen worden sind, veröffentlicht worden sind.
Mir gefällt die Idee, dass Nicht-Kunst zu Kunst wird.
HH: Zuerst standen manche Künstler dieser ungewöhnlichen Art, Kunst zu präsentieren, sehr skeptisch gegenüber. Sie wollten kein Risiko eingehen. Deswegen mussten wir zu Beginn mit jenen zusammenarbeiten, die in uns vertrauten.
AZ: Aus diesem Grund machten wir die ersten Ausstellungen mit Künstlern, die wir auch schon in der Dastan Galerie gezeigt hatten, wie zum Bespiel Sina Choopani, Mohammad Hossein Gholamzadeh, Meghdad Lorpour und andere.
Sobald wir ihre Arbeiten auch im Electric Room präsentiert hatten, kam auch das Vertrauen und Interesse anderer Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten wollten.
So kamen Kollaborationen mit extrem talentierten Leuten im Iran zustande, die zuvor sogar Zusammenarbeiten mit Galerien abgewiesen hatten.
Unter den 50 iranischen Künstlern, die ihr im Electric Room präsentiert habt, sind auch ein paar dabei, die nun im Ausland leben und arbeiten. Warum ist es für sie trotzdem noch so wichtig, ihre Arbeit nach wie vor in eurer Galerie in Teheran auszustellen?
AZ: Electric Room hat es ermöglicht, deren Arbeit in einer viel weiteren Bahnbreite zu zeigen und mit einem sehr detaillierten Programm.
Viele dieser Künstler wollten Teil dieses einzigartigen Erlebnisses und Programmes sein.
Ihr arbeitet an Kunstprojekten mit Electric Room und mit der Dastan Galerie, die ein sehr hohes Niveau haben, und ihr euch damit einen Namen in der internationalen geschaffen habt. Wo liegt aber der Ursprung eurer Liebe zur Kunst?
AZ: Für mich besteht bildende Kunst aus einer Kombination von akademischer Arbeit (Schreiben, kritische Theorie) und praktischer Arbeit.
Soviel auch Theorie und Literatur uns Einblick in die Welt geben kann, so gibt jedoch Kunst bessere Möglichkeiten, einen Dialog und eine Kommunikation herzustellen.
HH: Mein Großvater war ein hochrangiger General vor der Revolution. Nachdem der Shah gestürzt worden ist, hat er die Armee verlassen und sich der Malerei zugewandt. Er wurde so zu einem Autodidakt, zu einem Amateurkünstler.
Jedes Mal wenn ich ihn in seinem Haus im Chorasan besuchte, war ein Zimmer seiner Malereien gewidmet, ein anderes seiner Kalligraphie und wieder ein anderes war sein Musikzimmer, in dem er all seine Instrumente hatte.
In diesem Haus herrschte für mich eine Art von Zauber. Und ich sah wie Kunst sein Leben gerettet hatte.
Hat Trumps Politik gegen den Iran dem Boom iranischer Kunst ein Ende gemacht?
AZ: Nein, wahre Künstler finden immer einen Weg, ihre Ideen ausdrücken zu können. Gibt es keine hochqualitativen Malfarben oder kein Zeichenpapier mehr, dann werden sie halt eben billigere kaufen. Aber all das wird sie nicht davon abhalten, weiterhin kreativ zu sein, Künstler zu sein.
Nach diesen so 50 intensiven Wochen, dieses einzigartige Kunsterlebnis Electric Room Woche für Woche aufs Neue auf die Beine zu stellen, wie habt ihr euch eigentlich bei der allerletzten Ausstellung von Electric Room gefühlt?
HH: Sehr emotional.
AZ: Anfangs wußte ich nicht, wie ich mich fühlen sollte, aber der letzte Tag war wirklich sehr traurig. So sehr ich auch überzeugt war, dass dieses Projekt ein Ende haben musste, so sehr fiel es mir trotz allem schwer, Abschied zu nehmen.
Kredit:
Alle Fotos von Hormoz Hematian und Ashkan Zahraei: Roxana Fazeli
(mit Atefeh Majidi Nezhads Werk „Revision: Zero-G“)
Alle Fotos von Ausstellungen im Electric Room: Dastan Gallery
Foto Ausstelung 1: „Unsafe zone/domestic production“ by Amin Akbari
Foto Ausstellung 2: „The champion“ by Mohammad Hossein Gholamzade
Foto Ausstellung 3: „We are“ by Sina Choopani
Foto Ausstellung 4: „Memebrain“ by Taba Fajrak & Shokoufeh Khoramroodi
Foto Ausstellung 5: „Inevitably inescapable“ by Siavash Naghshbandi
Foto Ausstellung 6: „Tehran UFO project“
Foto Ausstellung 7: „Tangab“ by Meghdad Lorpour
Foto Ausstellung 8: „Mutual tongue“ by Milad Nemati
Foto Ausstellung 9: „The shaving“ by Farrokh Mahdavi
Foto Ausstellung 10: „Interview“ by Sepideh Zamani
https://dastan.gallery
Electric Room
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier
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