MATHIAS KISS, Der Künstler mit der goldenen Hand
Mathias Kiss, französischer Künstler, Ikonoklast und Dandy im weißen Arbeitsmantel, ist ein außergewöhnlicher Mensch mit überschwänglicher kreativer Energie, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt und gerne die Grenzen überschreitet. In seinem Kunstwerk löst er sich den vorgegebenen akademischen Konventionen, sucht neue ästhetische Erfahrungen, bricht die Regeln, und verbindet französischen Klassizismus und Avantgarde.
Seine überdimensionalen und extravaganten Installationen sind in renommierten Galerien und Museen, wie im Palais de Tokyo oder Musée des Arts Décoratif in Paris ausgestellt, und seine Kunst begeistert Luxushäuser wie Hermès oder Boucheron.
Wie ist dieser Wunsch entstanden, Künstler zu werden?
Ich habe mit 14 Jahren eine Glaser-Malerlehre angefangen und bin dann mit 17 Jahren den Compagnons du Devoir beigetreten, wo ich dann die nächsten 15 Jahren geblieben bin.
Es war eigentlich mein Traum die Akademie der Bildenden Künste zu besuchen, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte. Aber so war es nun mal nicht und letztendlich hat mir meine Arbeitslaufbahn das Werkzeug und das handwerkliche Wissen mitgegeben, um das zu erreichen, wo ich heute stehe.
Meine Kunst nährt sich von dem, was ich in meinem Leben erlebt habe, das auch gezeichnet ist von traumatischen Erfahrungen, woran ich später gearbeitet habe.
Was genau für ein Trauma?
Welches Mädchen möchte mit dir ausgehen, wenn du Maler am Bau bist!
Es ist schrecklich, mit 14 Jahren die Schule abzubrechen und anzufangen zu arbeiten. Keiner interessiert sich für dich. Alle machten das Abitur, « White-Collar » Jobs, Grafiker oder anderes. Es war wirklich hart, der zwielichtige einsame Aussenseiter zu sein.
Wie kann man dich eigentlich definieren? Handwerker? Künstler?
Am Anfang meiner Karriere bei den Compagnons wollte ich einfach ein guter Handwerker sein, damit sich mein Chef nicht ärgerte und mich anschreit, dass ich den Himmel der Deckenmalerei nicht gut genug gemalt habe.
Nie wäre es mir auch nur in den Sinn gekommen, mir zu überlegen « Warum male ich den Himmel nicht einfach rot anstatt blau? »
Erst viele Jahre später konnte ich mich emanzipieren, von den Dogmen befreien und mich der Kunst zuwenden.
Anfangs wussten die Leute nicht so recht, wie sie mich einordnen sollten. Dekorateur? Kunsthandwerker? Künstler? Glücklicherweise habe mir ein paar vertraut und so andere ermutigt, meine Werke zu kaufen.
Aber woher kommt dieses unglaubliche Verlangen, die Regeln zu sprengen?
Bei den Compagnons wächst du mit einem Zirkel und einem Dreieck auf, die die Dogmen, den 90° Winkel, die Ebene symbolisieren. Aber am Ende bin ich an diesen Regeln, die mir auferlegt wurden, erstickt. Keiner meiner Altersgenossen interessierte sich für meine Arbeit. Viel zu klassisch, viel zu steif. Deswegen hatte ich das Verlangen, diese Normen zu brechen, mich von den technischen und ästhetischen Diktaten zu befreien.
So habe ich mich gefragt, wie man diese klassische dekorative Kunst und die Codes des französischen Savoir-Faires in einen modernen Kontext integrieren könnte.
Aus diesen Gedanken sind zwei Strömungen in meiner Arbeit entstanden:
Die eine trägt den Titel « Sans 90° », die all die Werke zusammenfasst, die keinen rechten Winkel haben, wie zum Beispiel die Spiegel « Miroirs froissés », oder die trompe d’oeil Sitzbank « Banquette Igloo » oder der Teppich « Tapis Magyar ».
Die andere Strömung nennet sich « Golden Snake », in der ich mit klassischen architektonischen Elementen experimentiere und den künstlerische Prozess hinterfrage.
Was findest du an Gold so interessant, das eine sehr wichtige Rolle in deinen Werken spielt?
Gold, steht für das Licht, für das Leben. Es muss nicht immer opulent, kitschig oder altmodisch sein.
Gold symbolisiert auch Macht, wie zum Beispiel die Anziehungskraft einer Frau, die sie mit Hilfe von Accessoires und Schmuck unterstreicht, und auch eine Macht, für die, die sie besitzen und dafür gekämpft haben.
Was wäre für dich als Künstler eine neue Herausforderung?
Während meiner Zeit bei den Compagnons, habe ich an Restaurationsarbeiten in der Comédie Française, in der Opéra Garnier, und anderen Palästen der französischen Republik gearbeitet. Jedoch nach einer gewissen Zeit konnte ich mich nicht mehr damit identifizieren und habe mich so der zeitgenössischen Kunst zugewandt.
Kunstinstallationen für öffentlichen Einrichtungen zu gestalten, wäre also eine perfekte Mischung aus beidem und eine Art Hommage an Paris, die Museumsstadt.
Für so eine urbane und dauerhafte Konstruktion denke ich da zum Beispiel an eine Adaptation meines Werkes « Golden Snake », das im Palais de Tokyo ausgestellt wurde. Kinder könnten darauf klettern, man könnte sich darauf hinsetzten.
Das wäre wirklich ein aufregendes Projekt und eine richtige Herausforderung.
Aber machen dir diese großen kahlen Flächen, diese riesigen weißen Wände nicht Angst?
Ganz im Gegenteil, je größer umso geiler ! Die sind für mich wie große weiße Blätter, auf denen ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann.
Du warst Thai Boxer und hast, bis du 30 Jahre alt warst, bei Wettbewerben teilgenommen. Für das Magazin Numéro hast du vor deiner Installation « Golden Snake » im Palais de Tokyo einen Boxkampf mit dem Weltmeister Patrick Quarteron geführt.
Wo liegt eigentlich die Verbindung zwischen der Kunst und dem Boxen?
Tatsächlich sehen die Leute oft nicht sofort die Verbindung zwischen den beiden Welten.
Ist ein Boxer nicht einfach ein halb nackter Mann auf einer Bühne, der gewinnen will, und von allen Zuschauern bejubelt werden möchte? Ist das nicht eine Art von reinem Narzissmus und Exhibitionismus und ein Verlangen nach Liebe und im Rampenlicht stehen?
Das ist doch letztendlich einem Künstler sehr ähnlich, der sich auch einer gewissen Gefahr aussetzt, harte Rückschläge einstecken muss und sich ins Ungewisse schmeißt.
An welchen Projekt arbeitest du gerade?
An einem carte-blanche Projekt für das Palais des Beaux-Arts in Lille für April 2019.
Was kommt dir in den Sinn, wenn du an den Iran denkst?
Die verrückte Feier, die der Shah zum 2500. Jubiläum des Gründung des persischen Reiches organisiert hat. So ein monumentales und starkes Symbol. Es ist unglaublich, daß man sogar noch heute nach all den Jahren davon redet.
Kredit:
Alle Fotos : David Zagdoun
Ausser :
Foto von Mathias Kiss auf Homepage : Wendy Bevan
Foto von Mathias Kiss und Patrick Quarteron im Palais de Tokyo : Stéphane Gallois für Numéro
http://www.mathiaskiss.com
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Anahita Vessier
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