YARED ZELEKE, Die Schönheit Äthiopiens

YARED ZELEKE, Die Schönheit Äthiopiens

Bevor ich Yared Zeleke traf, sah ich seinen Film “Ephraim und das Lamm” und offen gesagt hat mich die Schönheit des Filmes sowie das Talent dieses jungen äthiopischen Filmemachers umgehauen. Als ich dann Yared persönlich traf, war ich sofort von seiner feinen Art, seiner Offenheit, seinem Humor und seiner Liebe zu Äthiopien fasziniert.

Wie bist du zum Filmemachen gekommen?

Ich wuchs mit den Geschichten meiner Großmutter auf. Sie war eine großartige Erzählerin und sie war für ihre Geschichten im Ort bekannt. Daher kommt mein Interesse am Filmemachen. Später, als ich aufwuchs, liebte ich das Lesen und Schreiben. Ich liebe es, zu schreiben und Regie zu führen, ich mache beides wirklich gern.

Warum wolltest du einen Film über Äthiopien Machen?

Ich bin, seit ich 10 bin, in den USA aufgewachsen und die Leute sagten mir immer, ich käme aus der Wüste. Nichts ist falsch an der Wüste per se, aber es symbolisiert Leere und das hieß, ich komme aus dem Nichts. Das war einer der Hauptgründe, warum ich mich entschied, meinen ersten Film über Äthiopien zu drehen.

“ Ich wollte die Schönheit dieses Landes zeigen, das das genaue Gegenteil von Wüste ist. Es ist grün, gebiergig, überhaupt nicht flach und trocken.“

Ist der Film autobiographisch?

Es geht um das Thema, wie ein Kind mit Verlust umgeht, etwas, was mir genau so passiert ist. Trotz der Dürre und der schwierigen politischen Situation (Diktatur, Krieg), hatte ich die glücklichste Kindheit. Ich wurde geliebt und immer von meiner Familie und der Gemeinschaft unterstützt.

Obwohl dieses fundamentale Thema also meine Geschichte ist, ist die Welt, in der es spielt, nicht meine. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen (Addis Abeba), ich hatte nie ein Haustier, ich koche nicht gern. Also ist vieles aus meiner Vorstellung und das ist wichtig, wenn man Geschichten erzählt.

Die Schauspieler im Film sind Laiendarsteller. Wie hast du sie gefunden? War es nicht schwierig, einen Film mit Laiendarstellern zu drehen?

Wir hatten 7000 Leute in 6 Monaten beim Vorsprechen, die Hälfte davon waren Kinder aus staatlichen Schulen, meistens in der Stadt oder dem Dorf, in dem wir drehten. Als wir Rediat Amare trafen, den Jungen, hatten wir zuerst Schwierigkeiten, seine Eltern zu überzeugen, dass sie ihm die Erlaubnis dafür geben. Wir mussten erst ihr Vertrauen gewinnen. Er ist ein armes Kind aus dem Slum, das sehr talentiert ist. Wir brauchten trotzdem vier oder fünf Anläufe, bevor ich wusste, dass er für die Hauptrolle der Richtige ist, denn es erfordert sehr viel von ihm: Ist er offen, kann er zuhören, kann er vertrauen, kann er lachen, kann er weinen?

Ein paar der Schauspieler kamen vom Theater. Wir mussten ihnen also beibringen, wie man vor der Kamera auftritt.

Und das Lamm?

Wir brauchten einzelne Lämmer, die keine Verbindung zueinander hatten. Und dann haben wir sie für zwei Monate zusammen mit Rediat, dem Jungen, trainiert, damit jedes von ihnen zu ihm eine Beziehung aufbaut.

Wir hatten die ganze Zeit fünf Lämmer bei uns am Set, sogar als wir 4000 Meter hoch in der Berge oder in den Wald gingen. Am Ende sieht man im ganzen Film immer nur das gleiche Lamm, denn es tat alles, was nötig war.

Wie haben die Leute im Dorf reagiert, als ihr gefilmt habt?

Das sind ländliche Äthiopier, die tief in den Bergen leben. Sie haben nicht mal Elektrizität.

„Wahrscheinlich waren wir für sie Aliens mit komischen Instrumenten, die Experimente machten.“

Am Anfang waren sie vorsichtig und reserviert, auf die äthiopische Art immer mit einem Lächeln, aber am Ende haben wir ihr Vertrauen gewonnen und dann war es wundervoll. Sie weinten fast, als wir abreisten. Es herrschte so eine Sanftheit an dem Ort.

Es war trotzdem nicht immer leicht, den Film zu drehen, denn die Regierung war misstrauisch, die Leute waren misstrauisch, weil Äthiopien so einen schlechten Ruf in den Medien hat. Für die religiösen Szenen brauchten wir die Erlaubnis der Äthiopischen orthodoxen Kirche. Die Dreharbeiten für diesen Film waren sehr empfindlich und es hätte an vielen Ecken schief gehen können.

Ephraim und das Lamm hatte bei den Cannes Filmfestspielen 2015 Premiere. Es wurde dort beim „Uncertain Regard“ Programm aufgeführt. Wie hast du dich gefühlt, als du deinen Film in Cannes präsentiert hast? Waren die Schauspieler dabei?

Ich war so überwältigt, dass ich mich fast nicht freuen konnte, weil ich so unter Spannung stand. Aber das heißt nicht, dass ich es gar nicht genossen habe, es war nur wie ein Tsunami für mich!

„Alle Schauspieler kamen mit mir nach Cannes. Es war das erste Mal, dass sie im Ausland waren. Stell dir nur all ihre Impressionen von der westlichen Welt vor.“

Für die Filmmusik hast du mit Christophe Chassol zusammengearbeitet. Wie kam diese Kooperation zustande? Hatte er eine „Carte Blanche“ oder gab es Vorgaben für die Musik?

Was die Komposition betrifft, wollte ich lieber keine äthiopische Musik, denn ich wollte keinen folkloristischen Film. Obwohl der Film in einem typischen und traditionellen äthiopischen Dorf spielt, ist mein Blickwinkel als Filmemacher eher aus der Gegenwart. Also sollten bestimmte künstlerische Elemente im Film auch zeitgemäß sein. Wer hätte da besser sein können als Christophe Chassol.

Ich hatte Glück, dass Jorge Fernandez mir die Musik von Chassol vorstellte. Er war der Musik-Verantwortliche für den Film. Als ich seine Musik zum ersten Mal hörte, wusste ich sofort, dass Chassol die richtige Person für diesen Film war. Als wir dann bei der Arbeit zusammensaßen, war es wie ein Zauber. Man musste viel hören und lernen und die Sachen zusammen „erfühlen“. Totales Vertrauen. Er war so auf die Geschichte, die Figuren und mich eingestellt. Also war es eine Kombination von „Carte Blanche“ und Zusammenarbeit.

Als Äthiopier, der in New York aufgewachsen ist und jetzt in Paris lebt, hast du einen typischen äthiopische Gepflogenheit, um dein Ursprungsland zu fühlen?

Ich wurde wirklich von New York geprägt, wo ich studiert habe. Vor drei Jahren besuchte ich Addis Abeba, wo der größte Teil meiner Familie lebt und jetzt habe ich mich in Paris eingelebt. Aber wenn ich Heimweh habe, gehe ich in ein Äthiopisches Restaurant.

Äthiopische Musik zu hören, hilft mir auch dabei, meine Wurzeln zu spüren. Es verbindet und inspiriert mich. Ich mag alte genauso wie neue äthiopische Musik.

Ich liebe auch diese traditionellen Shals in Äthiopien, die man auch im Film sieht. Viele von ihnen sind handgewebt. Wenn ich reise, habe ich immer einen dabei. Sie sind so wunderschön. Es gibt noch etwas, dass ich mir in Äthiopien gekauft habe, ein orthodoxes Kreuz. Ich trage es immer bei mir. Es bringt mir Glück.

Was assoziierst du mit Iran?

Ich denke an die Filme von Kiarostami, an die Filme von der Kurdischen Seite Irans wie „Schildkröten können fliegen“ von Bahman Ghobadi, an „Die Farben des Paradieses“ von Madjid Madjidi. Farsi klingt so wunderschön, wenn ich mir die Filme ansehe. Ich denke auch an den Poeten Rumi, den ich gerne lese.

Kredit:
Fotos: Ama Ampadu (Slum Kid Films)
Text: Anahita Vessier
Übersetzung: Ulrike Goldenblatt
http://.filmsdistribution.com/Film.aspx?ID=11744

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