Zeitgenössische Kunst im Iran

Zeitgenössische Kunst im Iran

Wir sind im Norden von Teheran, in Tadjrish, eines der hippen Viertel der iranischen Hauptstadt, wo sich die chice und moderne Bevölkerung der Stadt trifft, um sehen und gesehen zu werden.

Beim Aussteigen aus dem Taxi bleibe ich noch einmal stehen, und genieße die Aussicht, die ich am meisten an dieser Stadt liebe, den Anblick auf die schneebedeckten Berge des Elburs Gebirges, die so unerschütterlich auf diese Metropole wachen. Ich gehe weiter und trete in das Gebäude aus den 30 Jahren, das noch an manchen Stellen trotz seiner Patina Spuren seiner damaligen Schönheit hervorblicken lässt. Ein leichter Hauch von Nostalgie weht durch den Gang. Beim Hinaufsteigen der Stiegen bringt mich der Sound elektronischer Musik wieder zurück in die Gegenwart und führt mich bis zum Atelier der Künstlerin Maryam Mimi Amini.

Bei ihr ist alles ein einziges Kunstwerk, Ready Made oder eigene Kreationen, vom Külhschrank bis zum Fauteuil im Wohnzimmer, ohne diese breiten bunten Lederbänder zu übersehen, die überall herumliegen, die sie ausschneidet, und mit bunten Neonfarben übersprüht. Ich bin überwältigt von dieser frischen Kreativität voller erfindungsreicher Spontanität, die auch etwas Punkiges hat. Ich sehe all diese jungen Leute, Kunstliebhaber, Designer, Kuratoren im Hipster Look überall in diesem Atelier verteilt, die um Mimi umherschwirren und intensiv miteinander diskutieren. Das Lächeln dieser Künstlerin mit den funkelnden Augen voller Energie, die vor ihrem Kunstwerk steht und sich leicht zum Rhythmus des Elektrobeats bewegt, lassen mich für einen Moment vergessen, dass ich in Teheran bin. Sobald ich jedoch hinausblicke, fällt mein Blick auf Khomeini gemaltes Portrait auf der gegenüberliegenden Hausmauer. Ich zwicke mich und werde mir bewusst, dass ich doch in der Hauptstadt der islamischen Republik Iran bin…

Es ist Jänner und ich bin Teheran, um an der Teer Art Week teilzunehmen, eine Kunstwoche, die  zeitgenössischer iranischer Kunst gewidmet ist. Sie wird von Hormoz Hematian, der einflussreichen Dastan Galerie, und von Maryam Majd, der Assar Art Galerie, organisiert. Dieses Event fällt genau zum gleichen Zeitpunkt, wie Teherans größte und wichtigste Kunstauktion, die in den letzten Jahre unheimliche Erfolge erzielt und Rekordsummen verzeichnet, denn Kunst ist nun auch im Iran eine Wertanlage geworden.

Die Teer Art Week ist eine außergewöhnliche und einzigartige Erfahrung unter den internationalen Kunstmessen und -veranstaltungen : Einerseits werden Besuche der interessantesten der so zahlreichen Kunstgalerien Teherans angeboten so wie auch Begegnungen mit iranischen Künstler in ihrem Atelier. Sie bringt all diese einzigartigen iranischen Künstler zusammen, deren Werk mir sehr am Herzen liegt.

Man muss wissen, dass seit Trump im Mai 2018 die Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzten ließ, die iranische Währung extrem darunter leidet und 60% ihres Wertes eingebüßt hat, was die Inflationsrate auf 35% steigen ließ. Seitdem ist der Iran wirtschaftlich und politisch vom Rest der Welt abgeschieden, Wechselbüros sind geschlossen, Kreditkarten funktionieren nicht. Hingegen, ab genau dem gleichen Zeitpunkt, verzeichnen Kunsthändler einen Anstieg von 30% ihres Umsatzes, da Kunst in diesem Kontext ein Anlage für die Reichen des Landes geworden ist. An diesem Phänomen profitieren besonders sie schon etablierten Künstler, von denen die meisten oft nicht mehr leben.

Was aber die jungen Künstler betrifft, so sind diese eher Opfer dieser politisch-wirtschaftlichen Situation: Der drastische Anstieg der Preise trifft auch Ihre Arbeitsutensilien wie Farben, Leinwände, Pinsel, Papier, Filme, die Entwicklungskosten von Fotos, etc., die meistens aus dem Ausland importiert werden. Auch der Anstieg der Wohnungskosten zwingt sie, zu ihren Eltern zurück zu ziehen oder die Stadt zu verlassen.

“ Die iranische Kunstszene, von Underground bis Mainstream, ist zurzeit eine der aufregendsten, die alle Grenzen überschreitet. „

Jean Marc Decrop
Spezialist zeitgenössischer chinesischer Kunst und Sammler iranischer zeitgenössischer Kunst

„Die zeitgenössische Kunstszene in Iran hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Es gibt hier eine sehr kreative Kunstszene auf internationalem Niveau. Allerdings bestehen viele Limitierungen, mit denen die Kunstschaffenden jeden Tag umgehen müssen. Viele junge, engagierte Galeristen versuchen, die Szene insgesamt voranzubringen.
Ein wichtiger nächster Schritt wäre eine stärkere Vernetzung ins Ausland, um auch über die Grenzen hinaus weitere Beachtung zu finden und der Szene neue Märkte zu erschließen.
Das ist eines der Ziele von TeerArt, und die Deutsche Botschaft unterstützt das gerne.“

Justus M. Kemper
Kulturattaché and der Deutschen Botschaft  in Teheran

„Ich bin sehr sicher, dass der Iran eines Tages das Zentrum zeitgenössischer Kunst des Mittleren Ostens werden wird. Auch wenn es Galeristen gibt, die die Aufmerksamkeit auf die zeitgenössische Kunstszene bringen will, so ist trotz allem doch noch moderne Kunst im Vordergrund. Glücklicherweise gibt es jedoch viele zeitgenössische Künstler, die eine sehr starke Szene bilden.
Die Teer Art hilft,  die Kunstsammler mehr in Richtung  zeitgenössische Kunst zu orientieren.“

Maryam „Mimi“ Amini
Zeitgenössische Künstlerin, die in Teheran lebt und arbeitet

„In den Letzten Jahren  wurden im Iran viele Kunstgalerien eröffnet, was der lokale Kunstszene irrsinnig geholfen hat, reifer zu werden, ihre Grenzen zu überschreiten  und so auch mehr und mehr ausländische Sammler und Kunstinstitutionen anzuziehen. Iran ist auf jeden Fall das nächste Zentrum zeitgenössischer Kunst.“

Arian Etebarian
Gründer der Platform iranischer Kunst www.darz.ir

Kredit:
Fotos: Anahita Vessier und Roxana Fazeli
Text: Anahita Vessier und Nada Rihani Teissier du Cros
Übersetzung: Anahita Vessier
https://teerart.com

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